Seit Beginn der Dokumentation im Jahr 1990 sind in Deutschland mindestens 341 wohnungslose Menschen erfroren. Die BAG Wohnungshilfe e.V. geht von einer noch höheren Dunkelziffer aus, da nicht alle Fälle öffentlich bekannt würden. Gleichzeitig stehen gerade in urbanen Ballungszentren Tausende Wohnungen leer. Der Grund dafür? Mieter:innen machen Wohnungen als Anlage- und Spekulationsobjekte weniger attraktiv. Wollen Großinvestor:innen oder Anleger:innen Wohnungen mit Gewinn weiterverkaufen, stören laufende Mietverträge, die nicht ohne Weiteres kündbar sind. Aktuelle Schätzungen gehen von knapp einer Million Wohnungslosen in Deutschland aus. Offizielle Erhebungen gibt es nicht, auch weil das Thema in den vergangenen Jahren wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Das soll sich nun ändern. Zum einen soll das Statistische Bundesamt ab 2022 Daten zum Thema Wohnungslosigkeit erheben. Zum anderen plant die gerade ins Amt gekommene Ampelkoalition, etwa 100.000 Sozialwohnungen jährlich in Deutschland zu bauen. Damit will sie einer EU-weiten Erklärung entsprechen, der zufolge bis 2030 kein Mensch ohne Wohnung sein soll. Laut Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sind die Pläne jedoch nicht ausreichend. Mindestens 160.000 Wohnungen müssten jährlich entstehen, um den Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland zu decken. Bei dieser Zahl geht es allerdings nicht lediglich um wohnungslose Menschen. Mehr Sozialwohnungen seien auch aufgrund von zu geringen Einkommen in Folge eines niedrigen Lohnniveaus und steigender Mietpreise nötig. Auf dem freien Mietmarkt seien immer mehr Wohnungen für immer mehr Menschen nicht mehr bezahlbar. Housing first: Jede:r soll erst mal wohnen können Unmittelbare Hilfe für Wohnungslose stellen sogenannte Housing First-Projekte dar. Der Ansatz stammt aus der US-amerikanischen Sozialpolitik. Er sieht vor, Wohnungslosen ohne Hürden und Auflagen eigene Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich werden die Menschen  dann beispielsweise durch Sozialarbeiter:innen betreut, um andere Probleme anzugehen, etwa die Jobsuche oder das Stellen von Unterstützungsanträgen. Housing First kehrt damit das gängige Verfahren um. Das sieht beispielsweise vor, dass Wohnungslose erst einmal einen Job finden oder Suchtprobleme in den Griff bekommen müssen, bevor sie eine eigene Wohnung beziehen dürfen. Flächendeckend eingeführt hat diesen Ansatz Finnland - und gute Erfahrungen gemacht. Die Zahl der Wohnungslosen konnte dort seit Start des Projektes im Jahr 2008 von circa 17.000 auf rund 4.000 Menschen reduziert werden. In Deutschland existieren Housing First-Projekte derzeit zumindest in einzelnen Städten, etwa in Berlin, Düsseldorf oder Bonn. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren