Amnesty International hat auf seiner Hauptversammlung im August dieses Jahres in Dublin das Ziel formuliert, Prostitution weltweit zu legalisieren. Grund hierfür sei, dass dadurch Prostituierte einen höheren Schutz erfahren könnten und nicht in die Illegalität gedrängt würden, in der sie Zuhältern oder gewalttätigen Freiern schutzlos ausgesetzt seien. Gegner einer Legalisierung befürchten, dass das Vorhaben von Amnesty International Menschenhandel begünstige und Zuhältern in die Hände spiele. In Deutschland ist Prostitution durch das Prostitutionsgesetz seit 2009 legal. Hintergrund des Gesetzes war ebenfalls der Wunsch nach einem höheren Schutz für Prostituierte und der Verhinderung von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Ob dies allerdings durch eine Legalisierung erreicht werden kann, ist zweifelhaft. Wie sich nämlich in einer Studie herausstellte, bewirkt eine Legalisierung vielmehr das Gegenteil. »In Ländern ohne gesetzliches Prostitutionsverbot wird Menschenhandel in einem größeren Umfang registriert als in Ländern, in denen die Prostitution verboten ist.« Zu überprüfen ist, ob eine Legalisierung tatsächlich schädlich ist oder ob das Prostitutionsgesetz nur einer Neuerung bedarf. Eine andere Frage ist, ob Prostitution, Bordelle oder »Flatrate-Puffs« überhaupt noch zu unseren heutigen gesellschaftlichen Werten passen. Prostitution ist unzeitgemäß Die Ausgangslage des Beschlusses von Amnesty International scheint zu sein, das geringere Übel zu wählen: Wenn es schon Prostitution gibt, dann zumindest kontrollierbar, um die Sexarbeiterinnen zu schützen. Amnesty International und die Befürworter der Legalisierung von Prostitution gehen davon aus, dass es den Kauf sexueller Dienste nun einmal gibt und auch immer geben wird. Schließlich gehört Prostitution zu den ältesten Berufen überhaupt. Prostitution wird somit als nicht zu ändernde Tatsache hingenommen. Das drückt Resignation aus. Fragwürdig ist, ob diese Sichtweise zu einem Land wie Deutschland passt, in dem die Gleichstellung von Mann und Frau im Grundgesetz verankert ist, in dem die Würde des Menschen den höchsten Schutz genießt. Die Anzahl aller Prostituierten in Deutschland wird auf 400.000 geschätzt. Es gibt auch männliche Prostitution, im Vergleich zur weiblichen macht sie einen geringen Anteil aus. Der Weg über eine Legalisierung war ein notwendiger Zwischenschritt: Lange wurden Prostituierte aus der Gesellschaft ausgeschlossen und waren Misshandlungen und Gefahren ausgesetzt. Heute werden Prostituierte und Freier nicht mehr verfolgt, sie haben eine Sozial- und Krankenversicherung und zahlen Steuern wie jeder andere Bürger. Niemand arbeitet freiwillig Das nächste Ziel könnte sein, Prostitution abzuschaffen. Lohnt es sich nicht, dafür zu kämpfen? Einige Prostituierte mögen dieses Ziel als bevormundend ansehen. »Sexarbeiterinnen selbst werden oft nicht zu Fachdiskussionen eingeladen. Das liegt vielleicht auch daran, dass man davon ausgeht, dass doch irgendwie ein Zwang dahintersteckt«, so eine junge Prostituierte aus Berlin. Möglicherweise stellt die Anerkennung und Legalisierung von Prostitution auch ein Indiz für ein modernes und liberales Land dar. Sie wird nicht mehr als unmoralisch verschrien, freiwillige sexuelle Dienste werden anderen Berufen gleichgestellt. Prostituierte werden nicht mehr diskriminiert und gekaufter Sex ist kein gesellschaftliches Tabu mehr. Selbstbewusste junge Frauen oder Männer verkaufen freiwillig ihren Körper. Ist nicht die Unfreiwilligkeit Hauptcharakter der Prostitution? Der eine hat Lust, der andere nicht, schließlich lässt er sich deshalb bezahlen. Der eine wählt aus, der andere würde ohne Bezahlung nicht zustimmen. Auch in anderen Berufen werden (körperliche) Dienste unfreiwillig und nur für Geld vorgenommen: Der Bauarbeiter verkauft seine körperliche Kraft, die Chorsängerin ihre Stimme. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass es bei der Prostitution um den Verkauf des Körpers selbst geht. In keinem anderen Beruf ist man einem anderen, demjenigen, der den Dienst empfängt, wortwörtlich nackt gegenübergestellt. Schützt das Verbot? Ungefähr die Hälfte der Prostituierten kommt aus dem Ausland, viele aus Osteuropa. Häufig befinden sie sich in einer finanziellen Zwangslage. Die Mehrzahl der Befragten gibt an, der Prostitution entfliehen zu wollen, aber keine Wahl zu haben. Viele sind physischer und psychischer Gewalt begegnet. Die Grenzen zwischen Freiwilligkeit und Zwang sind fließend. Selbst wenn es viele Prostituierte gibt, die ihrer Tätigkeit freiwillig nachgehen, geht Prostitution häufig mit Zwang und Unterdrückung einher. Bei der Überlegung, Prostitution zu verbieten oder zu legalisieren, sollte der Schutz der Frauen und Männer, die diesem Beruf nachgehen, an erster Stelle stehen. Prostitution soll deshalb keinesfalls erneut als unmoralisch angeprangert werden. Käuflicher Sex soll nicht tabuisiert, Prostituierte nicht als »unsittlich« angesehen und aus der Gesellschaft ausgestoßen werden. Der Rechtsstaat gibt auf Die Frage ist aber, ob durch die Legalisierung von Prostitution ein falsches Zeichen seitens des Staates gesetzt wird. Schließlich hat er sich den Schutz der Gleichstellung von Mann und Frau und der menschlichen Behandlung aller Bürger zum verfassungsrechtlichen und politischen Ziel gesetzt. Indem Prostitution erlaubt ist, suggeriert der Staat, dass er mit dem Frauen- und Menschenbild, das mit der Prostitution einhergeht, »einverstanden« ist. Ebenso hat das Betreuungsgeld scharfe Kritik erfahren. Ein solches Frauenbild passt nicht mehr in unsere Zeit. Auch sonst kämpft der Staat für seine Werte und nimmt Missstände nicht als gegeben hin. Diebstahl und Hehlerei werden bestraft, auch wenn es Diebe und Hehler schon immer gab und immer geben wird. Dennoch soll das Eigentum geschützt werden. Die Bestrafung der Verletzung dieses Rechtsgutes bedeutet, dass die Gesellschaft diese Verletzung nicht billigt. Die Überlegung von Amnesty International, »Prostitution gab es schon immer und wird es auch künftig geben«, ist wahrscheinlich nicht zu bestreiten. Dennoch bedeutet dies nicht, dass man sich auch damit abfinden muss. In Schweden ist Prostitution zwar illegal, das Nachgehen der Prostitution selbst wird aber nicht bestraft. Allein die Inanspruchnahme durch die Freier wird rechtlich verfolgt. So werden nicht die Prostituierten bestraft, sondern es wird versucht, die Nachfrage von Prostitution zu verringern. Schweden zeigt: Es verfolgt ein modernes Frauenbild.