Die Parteien stehen mit der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte als Institution unserer Demokratie in mehrfacher Hinsicht unter Druck: Sie tun sich ausgesprochen schwer, ein Spektrum unterschiedlicher politisch-programmatischer Orientierungen zu bieten, durch die erst demokratische Entscheidungen ermöglicht werden. Damit verbunden ist oftmals der Verlust von ernsthaften Diskussionen in und zwischen den Parteien. Hinzu kommt, dass die repräsentative Kraft der Parteien sinkt, die Überzeugungen und Interessen aus den verschiedenen Schichten und Milieus gleichermaßen aufzunehmen und in Orientierungsvorschlägen zu bündeln. Diese Probleme der mangelhaften Unterscheidbarkeit, Diskussionskultur und Repräsentativität haben hausgemachte Gründe; sie resultieren aber noch mehr aus tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen: dem Kompetenzverlust der nationalen Demokratien im Zuge der Europäisierung und Globalisierung; dem Ideenverlust einer (vermeintlich) postideologischen, rein »pragmatischen« Konstellation; dem Verständnis von Politik als lebenslanger Beruf; dem Rückzug ins Private als Reaktion auf eine veränderte Arbeitswelt; einer extrem beschleunigten Mediengesellschaft; sowie einer sozialen Spaltung, die sich auch in einer demokratischen Kluft widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund ist es umso besorgniserregender, dass eine öffentliche Auseinandersetzung um die zukünftige Gestalt unserer Parteien, ihre Aufgaben und Strukturen nicht stattfindet. Auch Intellektuelle sind Nichtwähler Im Gegenteil: Statt einer zugewandten Kritik, in der Absicht, es besser zu machen, erblüht eine Abneigung gegen Parteien bis tief in die Mitte der Gesellschaft, auch der intellektuellen Mitte. Statt kritischer Beteiligung erleben wir behäbige Verachtung, populistischen Rückzug, teils aggressive Abwendung - und den Applaus, den man dafür nicht nur an Stamm-, sondern auch an Bistro-Tischen bekommt. Die Verachtung gegenüber Parteien hat eine jahrhundertealte Tradition Denjenigen, die diese aggressive Parteienverdrossenheit für ein neues Phänomen in Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen halten, sei gesagt: Die Verachtung gegenüber Parteien und ihrem »schmutzigen Geschäft« hat gerade in der Bundesrepublik eine inzwischen jahrhundertealte, antidemokratische Tradition. Dahinter steht zum einen die autoritäre Sehnsucht nach einer neutralen, objektiven Instanz, die die Dinge ohne demokratischen Streit und eine Beteiligungserwartung der Bürgerinnen und Bürger regelt, und zum anderen ein Populismus der politischen Unmittelbarkeit. Parteien- und Politikerverdruss gehören wieder zum »guten Ton« der maulenden Mehrheit wie auch vieler sich fortschrittlich gebender Protagonisten. Der Verdruss der Fernseh-Intellektuellen Heute sehen profilierte Fernseh-Intellektuelle ihre Aufgabe darin, die Bürgerinnen und Bürger für die Option des Nichtwählens zu sensibilisieren. In einer Umfrage der »ZEIT« gab es vor den letzten Bundestagswahlen unter 48 namhaften Kunstschaffenden und Intellektuellen eine absolute Mehrheit von 58,3 Prozent, die nicht bereit war, eine bestimmte Wahlpräferenz zu äußern oder gar zu argumentieren. Für den Bestseller-Autor Richard David Precht ist »die Wahl zwischen Wählen und Nichtwählen nicht wirklich wichtig«. Nach dem Philosophen Peter Sloterdijk ist unter den etablierten Parteien »im Augenblick schlechthin keine wählbar«. Und für den Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler bedeutet die Stimme für eine Partei, »nicht nur einen Charakterfehler in Kauf zu nehmen, sondern sich bewusst für ihn zu entscheiden«. Der Sozialpsychologe Harald Welzer schließlich leitet seinen Verdruss im Spiegel mit der Aussage ein: »Warum ich nicht mehr wähle«. Die Rede vom Politik- und Parteienverdruss legt nahe, dass es sich vorrangig um ein kommunikatives Problem handele, es folglich notwendig sei, die Wählerschaft sowie die Parteimitglieder auf eine andere Art und Weise anzusprechen. Tatsächlich aber haben die Probleme der Parteien bei ihrer Aufgabenerfüllung nicht nur innere Gründe, sondern sind auf einen tiefgreifenden gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Wandel zurückzuführen - und dem Unwillen der gesellschaftlichen Akteure, sich diesem Wandel zu stellen. Jede Reform der Parteien muss diesen Wandel berücksichtigen, ohne sich ihm blind anzupassen. Gefragt sind Vorschläge und Debatten, wie die Parteien ihre Schlüsselrolle für unsere Demokratie zwischen gesellschaftlicher Orientierung und gesetzgebender Programmierung wieder besser erfüllen können. Wie kann die Rolle der Parteien in der Demokratie belebt werden? Diese Frage geht alle an - nicht nur diejenigen, die in Parteien aktiv sind oder damit ihr Einkommen bestreiten. Denn es geht um die Zukunft einer entscheidenden Institution der Demokratie. Die Verteidigung des ökonomischen Status Auf der Suche nach der Idee der Partei sollte die grundlegende Frage gestellt werden, worin sich überhaupt die demokratische Grundüberzeugung, die berechtigte Hoffnung auf demokratische Prozesse begründet. Es ist die Überzeugung, dass man im Gespräch und im Streit über unterschiedliche Auffassungen am Ende per Mehrheitsentscheidung zu gesellschaftlich besseren Ergebnissen kommt. Natürlich sind auch Auffassungen vom Allgemeinen, Interpretationen von Allgemeinwohl beziehungsweise Gerechtigkeit, fast notwendigerweise durch Interessen gefärbt. Demokratie ist deshalb immer auch ein Akt der »Selbstaufklärung«. Moralische, politische oder rechtliche Auffassungen vom allgemein Richtigen sind - oftmals unbemerkt - tief verankert in die Interessenslage des eigenen sozioökonomischen Milieus. Das gilt auch für diejenigen gebildeten Milieus der gehobenen Mittelschicht, deren Auffassungen selbstlos daherkommen, hinter denen aber die knallharte Verteidigung des ökonomischen und sozialen Status steht. Demokratie lebt vom Streit um das Allgemeinwohl, von der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Auffassungen einer allgemein gerechten Entscheidung Demokratie darf also weder als bloßer Interessenskampf missverstanden werden, noch als bloßes Mittel der Durchsetzung einer bereits von vornherein feststehenden Vorstellung vom Allgemeinwohl. Vielmehr lebt Demokratie vom Streit um das Allgemeinwohl, von der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Auffassungen einer allgemein gerechten Entscheidung. Das heißt nicht, dass Wahrheitsansprüche aufgegeben werden müssen, sowieso nicht gegenüber den Feinden der Demokratie, aber auch nicht in der demokratischen Debatte mit Blick auf stark gefestigte Ansprüche normativer Richtigkeit oder empirischer Wahrheit - solange man sich im Klaren darüber ist, dass ein Wahrheitsanspruch auf ein neues Argument treffen kann, das ihn verändern kann. Was Parteien leisten sollten Parteien sind diejenigen Institutionen, die jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Auffassungen über die Gesetzgebung vertreten. In diesem Sinne sind Parteien zunächst einmal als Orte zu begreifen, an denen sich so etwas wie die Interpretationen des Allgemeinen und der Streit zwischen den unterschiedlichen Auffassungen zum Zweck der Gesetzgebung organisiert. Deshalb sind sie nicht nur zu unterscheiden von Protagonisten der Interessensvertretung. Sie sind auch zu unterscheiden von »Ein-Ziel-Organisationen«, die ihren Verallgemeinerungsanspruch auf ein Thema begrenzen, aber sich nicht die Mühe machen, andere gesellschaftliche Bereiche einzubeziehen. Beide Arten von Organisationen haben eine wichtige Rolle in unserer Demokratie: Lobbyisten und Themenadvokaten. Aber wer wollte, dass dies die Akteure legislativer Entscheidungen sind? Vor dem Hintergrund dieser Analyse der Erwartung an Parteien es sinnvoll, drei Funktionen zu unterscheiden: erstens eine »Orientierungsfunktion« im Sinne des Vertretens bestimmter Auffassungen vom allgemein Richtigen, auch in den konkreten Handlungskonzepten und -vorschlägen; zweitens eine »Diskursfunktion« im Sinne der Einführung dieser Positionen in gesellschaftliche und institutionalisierte Diskurse; und drittens eine »Entscheidungsfunktion« im Sinne einer entsprechenden Abstimmung in der demokratisch-gesetzgebenden Beschlussfassung. Alle drei Funktionen stehen wiederum in engem Zusammenhang mit einer vierten Funktion, der »Repräsentativfunktion«. Wählen ist weit mehr, als in der Wahlkabine ein Kreuz zu machen Idee und Aufgabe der Institution Partei lassen sich nur erfassen, wenn man die demokratische Bedeutung intakter Repräsentation in allen drei Funktionen versteht. Dies führt zum grundlegenden Zusammenhang von Demokratie und Zeit. Der demokratische Diskurs braucht Zeit Es braucht Zeit, um den demokratischen Raum unterschiedlicher gesellschaftlicher Auffassungen zu einer bestimmten Frage überhaupt erst zu eröffnen. Erst Recht braucht der demokratische Diskurs Zeit, also die Auseinandersetzung und das Gespräch über diese Auffassungen zu einer bestimmten Frage. Schließlich braucht auch die Überführung demokratischer Diskussionen in eine anschließende Entscheidung Zeit. Demgegenüber steht die konkret begrenzte Zeit der Bürgerinnen und Bürger. Trotz des wichtigen Streits für eine gerechtere Zeitpolitik in Erwerbsarbeit und Lebenslagen gilt: Zeit ist limitiert. Bürgerinnen und Bürger werden immer über unterschiedliche Zeitkontingente verfügen. Damit erübrigt sich in keiner Weise die Erwartung an jede Bürgerin und jeden Bürger, sich in einem republikanischen Sinn als aktiver Teil der Demokratie zu begreifen. Auf Vertretung beruhende Politik ist etwas anderes als rein advokatorische Politik, also Politik, die ohne Auftrag vertritt. Sich vertreten lassen, ist anspruchsvoll und anstrengend. Es erfordert aktive Beschäftigung. Meinungsbildung erfordert Auseinandersetzung. Wählen ist weit mehr, als in der Wahlkabine ein Kreuz zu machen. Und auch Repräsentation ist nur dann ein Vorteil, wenn sie sich in einem Raum vollzieht, der für niemanden verschlossen bleibt. Zeitunglesen braucht Zeit, in der Eckkneipe mitreden braucht Zeit. Kritik statt Verdruss Durch die Funktionsbestimmung der Institution Partei für die Demokratie ist es möglich, genauer zu unterscheiden, wo Kritik an Parteien auf eine bessere Funktionserfüllung zielt, und wo sie auf einem anti-demokratischen Vorbehalt beruht. Eine Kritik, die ein autoritäres »Ruhebedürfnis« nutzt, um den demokratischen Streit über politische Alternativen abzuwerten, bedient anti-demokratische Vorbehalte. Eine Kritik hingegen, die sich Gedanken darüber macht, wie es wieder zu mehr parteipolitischer Auseinandersetzung kommen kann, ist dringend gefragt. Eine Kritik, die der Demokratie die notwendige Zeit rauben will, bedient eine anti-demokratische Haltung. Eine Kritik hingegen, die hilft, den diskursiven Austausch in endlicher Zeit optimal zu befördern, ist dringend gefragt. Eine Kritik, die mit dem Versprechen der »Unmittelbarkeit« - sei es ein »unmittelbarer Volkswille« oder ein »unmittelbares Bürgerinteresse« - Institutionen der gerechten Repräsentation diffamiert, bedient eine Abneigung gegen die Demokratie. Eine Parteienkritik hingegen, die die soziale Durchlässigkeit und die Repräsentanz dieser Institutionen erhöhen will, ist dringend gefragt. Soziale Ausgrenzung wird häufig von Ausschluss und auch Selbstausschluss von politischen Prozessen begleitet Politische Teilhabe braucht soziale Teilhabe Soziale Ausgrenzung wird häufig von Ausschluss und auch Selbstausschluss der Betroffenen von politischen Prozessen begleitet. Unter den Parteien findet dieses Demokratiedefizit bislang wenig Berücksichtigung, da im Wettbewerb untereinander die aktive Wählerschaft für entscheidend erachtet wird. Diese Auffassung steht jedoch der Aufgabe entgegen, Organe einer möglichst repräsentativen Willensbildung zu sein. Um diesem Anspruch wieder gerechter zu werden, genügt nicht allein eine andere »Ansprache«: Soziale Ausgrenzung ist kein Kommunikationsproblem. Politische Teilhabe ist vielmehr gebunden an eine soziale Teilhabe. Die gesellschaftliche Einbeziehung durch Arbeit und Bildung ist dafür die wesentliche Voraussetzung. Sie ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein demokratisches Gebot. Parteien müssen sich zukünftig in wesentlich höherem Maße als Protagonistinnen der sozialen und politischen Einbeziehung begreifen. Dazu reicht es nicht, den sozialen Status der Ausgeschlossenen materiell besser abzusichern. Vielmehr kommt es darauf an, echte Teilhabe in einer einbeziehenden (Arbeits-)Gesellschaft zu ermöglichen und damit einhergehend die Institutionen der Demokratie weiter zu öffnen. Mehr Diskursräume schaffen Kontroverse Diskussionen zwischen den Parteien werden in der medialen Öffentlichkeit oftmals als Anzeichen von Orientierungslosigkeit gedeutet und mit Handlungs- und Führungsschwäche gleichgesetzt. Dies führt zu starken inneren Unklarheiten, die eine nachhaltige programmatische Auseinandersetzung zwischen den Parteien erschwert. Konsequenz ist dann das Verlegen auf kurzlebige symbolische Differenzen über schablonenhafte Textbausteine, die eine Haltung vermitteln sollen, aber wenig zu sagen haben. Vor diesem Hintergrund nehmen die Parteien ihren Verfassungsauftrag nicht ernst genug. Die Gestaltung von Räumen nachhaltiger Debatten ist eine harte parteipolitische Aufgabe. Sie erfordert ein starkes Bewusstsein und starke Kompetenzen. Dies gilt sowohl für den meinungsbildenden Diskurs nach innen, wie auch für die öffentliche Einmischung mit gemeinsamen Positionen nach außen. Beteiligung ist wichtig, reicht aber nicht Mit einer Verstärkung der Repräsentations-, Orientierungs- und Diskursdefizite der demokratischen Institutionen, insbesondere der Parlamente und Parteien, ging in den letzten Jahren die laute Stimme der »neuen Bürgerbewegungen« einher, die sehr stark auf unmittelbare Bürgerbeteiligung und direktdemokratische Einflussnahme zielte. Dabei fand entlang konkreter Interessenkonflikte teilweise eine starke Entgegensetzung direkter Beteiligung und repräsentativer Demokratie statt. Übersehen wurde dabei allerdings, dass der Wille zur unmittelbaren Entscheidungsbeteiligung die Repräsentationsdefizite der Demokratie tendenziell noch weiter verstärkt, da deren Protagonisten noch deutlicher bestimmten sozialen Milieus zuzurechnen sind. Die neuen Bürgerproteste sind in einem hohen Maße mit einem Vorteil für denjenigen verbunden, die über ein hohes Maß an Zeit für Einmischung verfügen. Deshalb heißt »Mehr Demokratie wagen« nicht einfach »mehr Beteiligung«. Vielmehr geht es darum, die demokratischen Verfahren so zu gestalten, dass Beteiligung auch tatsächlich zu einer besseren und gerechteren Repräsentation führt. Diese Frage nach der Verzahnung von Repräsentation und Beteiligung, nicht ihrer Entgegensetzung, ist in jüngster Zeit wieder stärker in den Vordergrund getreten. Mit Planungszellen, also beratenden Gruppen von im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, und anderen repräsentativen Beteiligungsformaten wurden interessante Erfahrungen gesammelt. Die Parteien haben hier methodischen Nachholbedarf. Es bedarf der Entwicklung von Beteiligungsstrukturen, die die radikal veränderten Arbeits- und Lebenswelten berücksichtigen. Diese reichen von einer zeitlich begrenzten, projektbezogenen Einbindung von Nicht-Mitgliedern über eine interessenspezifische Unterscheidung der lokalen und thematischen Beteiligungsangebote bis hin zu einer Befähigungs- und Bildungsstruktur, die die parteipolitische Aktivität mit einem persönlichen Nutzen verbindet. Mut zur politischen Führung Politische Führung kann sich mit Blick auf die Willensbildungsfunktion - Orientierungsfähigkeit, Diskursfähigkeit und Repräsentationsfähigkeit - nicht weiter auf das Abmoderieren potenzieller Meinungsunterschiede begrenzen. Sie muss sich vielmehr dort als »Diskursöffner« begreifen, wo grundlegende gesellschaftliche Weichenstellungen anstehen. Dies führt nicht nur zu besseren Entscheidungen, es ist auch ein Gebot der Entfachung neuer demokratischer Beteiligung und Leidenschaft über das Verfahren politischer Auseinandersetzung. Führungsfähigkeit lässt sich fördern und schulen. Angesichts abnehmender Personalressourcen sollten Parteien auf diese Aufgabe ein stärkeres Gewicht legen. Statt sich immer nur den Beifall der Überzeugten abzuholen, beinhaltet politische Führung immer auch das Risiko der Niederlage Statt sich immer nur den Beifall der schon Überzeugten abzuholen, beinhaltet politische Führung immer auch das Risiko der Niederlage. Und es wäre ein großer Fortschritt nicht nur der politischen Kultur, sondern auch der Strukturen von Parteien, wenn eine politische Niederlage nicht automatisch mit der Angst vor dem institutionellen Herausfallen verbunden wäre. Gerade Parteitage gehorchen oftmals einem standardisierten Regime, das zwar deutlich macht, welcher Wille die Mehrheit findet, aber nicht mehr, wie er gebildet wurde. Um zu Foren der Willensbildung zu werden, müssen Parteien ihre interne Struktur ändern, Debattenplattformen schaffen, sie für außerparteiliche Impulse öffnen und zugleich bereit sein, die internen Meinungsunterschiede stellvertretend für die gesellschaftlichen Gegensätze auszutragen. Dazu braucht es gemeinsame Orte der Diskussion statt eines Rückzugs in die Nischen der jeweiligen Parteiflügel. Die Parlamente sind gefragt Ein entscheidendes Feld der kritischen Reflexion über den Zustand der Repräsentation liegt dort, wo sich die willensbildende Funktion der Parteien mit der Gesetzgebung verzahnt: bei den Parlamenten. Das berührt auch ihr Gewicht gegenüber einer sich zunehmend verselbstständigenden Exekutive als ausführende Gewalt, wie auch gegenüber einer immer mehr Entscheidungen treffenden Judikative als rechtsprechenden Gewalt. Die Parlamente sind der demokratische Ort, an dem wichtige gesellschaftliche Fragen im Rahmen der Verfassung debattiert und entschieden werden. Vor diesem Hintergrund ist die Tendenz des Abschiebens dieser Fragen in Kommissionen von Fachleuten oder in die Bürokratie von Ministerien ebenso fragwürdig wie eine Übertragung der Verantwortung an das Bundesverfassungsgericht. Die Parlamente können nur dann ihre demokratische Aufgabe angemessen erfüllen, wenn sie sich auf die grundlegenden Weichenstellungen konzentrieren, anstatt jeden erdenklichen Einzelfall mit einer eigenen Bestimmung zu erfassen.