Studie: „Short, Heavy and Underrated? Teacher Assessment Biases by Children’s Body Size“ von Nicole Black und Sonja C. de New (Juli 2020). Dass es äußerlich attraktive Menschen im Leben oft leichter haben, belegt eine breite Masse an Forschungsliteratur der Sozialpsychologie. Besonders große Menschen scheinen intelligenter, sympathischer, sozial kompetenter und umgänglicher zu wirken. Fülligeren hingegen wird in der Gesellschaft eher mangelnde Selbstdisziplin, Faulheit, Inkompetenz und eine geringere Intelligenz zugeschrieben. Nun konnten Forscherinnen der Monash-Universität in Melbourne belegen, dass solche Vorurteile auch Lehrer bei der Benotung ihrer Schüler beeinflussen. In Australien gibt es seit 2008 ein landesweites Bewertungsprogramm, das die Leistungen von Schülern mittels Computertests und schulexternen Sachverständigen möglichst objektiv beurteilen soll. Es heißt NAPLAN und ist vergleichbar mit der PISA-Studie. In ihrer Untersuchung verglichen die Wissenschaftlerinnen nun die Noten von 1.930 Fünftklässlern mit den Bewertungen, die sie bei den NAPLAN-Tests erreichten. Auf diese Weise wollten sie feststellen, ob die körperliche Erscheinung der Kinder für deren Lehrer bei der Benotung eine Rolle spielte. Hinsichtlich der Lese- und Schreibfähigkeiten traten keine größeren Abweichungen auf. Im Fach Mathematik hingegen unterschieden sich die subjektiven Bewertungen der Lehrer merklich von den standardisierten NAPLAN-Ergebnissen. Besonders bei adipösen Kindern bewerteten sie die Rechenleistung durchschnittlich schlechter. Umgekehrt wurden größere Schüler besser benotet. Untersuchungen zeigen zwar, dass adipöse Kinder im Schnitt häufiger emotionale oder soziale Probleme haben und bei kognitiven Leistungstests schlechter abschneiden als Normalgewichtige. Die neue Studie verdeutlicht darüber hinaus aber den Einfluss der subjektiven Lehrerbewertungen auf die Noten der Kinder hinsichtlich ihres Körperbaus. Zu vermuten ist, dass dies mit der Sichtweise einhergeht, die mathematische Fähigkeiten mit einer allgemeinen Intelligenz und logischem Denken gleichsetzt - Eigenschaften, die adipösen Kindern oder auch Mädchen - wie andere Studie zeigen - weniger zugeschrieben werden. Ein weiteres Problem: Die Vorurteile der Lehrer haben nicht nur einen kurzzeitigen Effekt auf die Schulnoten. Härtere Bewertungen in einem Fach verringerten zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder dieses Fach in ihrer weiteren Schullaufbahn überhaupt noch mögen. Eine intensivere Forschung könne deshalb helfen, das allgemeine Bewusstsein dafür besonders bei den Lehrern zu schärfen, um deren Wahrnehmungen und Erwartungen an die Fähigkeiten der Schüler anzupassen und so deren Selbstvertrauen und Bemühungen zu fördern. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren