An der Berufsstruktur der Abgeordneten im Deutschen Bundestag gibt es regelmäßig Kritik. Hieß es früher, es säßen zu viele Lehrer:innen im “Hohen Haus” der Bundesrepublik, so wird in jüngerer Vergangenheit die überdurchschnittlich hohe Jurist:innendichte betont.
Fest steht, dass der Bundestag mit Blick auf die Berufsstruktur nicht repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland ist. Während etwa 87 Prozent der Abgeordneten einen Hochschulabschluss haben, sind es in der Gesamtbevölkerung rund 20 Prozent. Mehr als jede:r zehnte Erwerbstätige wird jedoch der Kategorie “Arbeiter:in” zugeordnet. Im Plenum des Bundestags findet sich diese Gruppe aber fast gar nicht. Dafür tummeln sich dort sehr viele Beamt:innen und sehr viele Menschen, die vor ihrer Wahl für politische und gesellschaftliche Organisationen gearbeitet haben. Hierzu zählen beispielsweise die Arbeit für Parteien und Fraktionen oder die Beschäftigung in Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen. Mit rund 22 Prozent aller Abgeordneten sind sie die zweitstärkste Gruppe hinter den Beamt:innen (23,3 Prozent). Gefundenes Fressen für Populisten … Dieses Missverhältnis muss kein Problem sein, kann aber zu einem werden. Vor allem in politisch unruhigen Zeiten nimmt die Wut auf “die da oben” von Zeit zu Zeit zu. Wenn sich Berufspolitiker:innen hinsichtlich ihres Werdegangs dann auch noch erheblich von der Gesamtbevölkerung unterscheiden, kann das von Populist:innen aus verschiedenen politischen Lagern genutzt werden. Kennzeichnend für den Populismus ist nämlich die Unterscheidung zwischen einem tadellosen “Volk” auf der einen und einer korrupten “Elite” auf der anderen Seite. Verhält sich die politische Elite dann auch noch fragwürdig bis kriminell - etwa im Falle der Maskenaffäre  -, ist die Geschichte von “uns hier unten” und “denen da oben” um ein Kapitel reicher. … und ernstzunehmendes Problem Doch jenseits populistischer Vereinfachungen ist die fehlende sozio-ökonomische Repräsentativität des Bundestags ein ernsthaftes Problem. So zeigen politikwissenschaftliche Arbeiten seit Jahren, dass es für politische Entscheidungen bedeutsam ist, wie Parlamente sich zusammensetzen. Ein Abgeordnetenhaus der Jurist:innen wird demnach anders entscheiden als ein Parlament der Arbeiter:innen. Das liegt daran, “dass die (berufliche) Sozialisation stark die eigenen politischen Überzeugungen und Perspektiven darauf prägt, was als politisches Problem wahrgenommen wird.” Allzu einheitliche Parlamente dürfen sich liberale Demokratien also nicht erlauben, wenn sich die populistische Erzählung von “uns hier unten” und “denen da oben” nicht weiter verfestigen soll. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren