Einen einzigen offiziellen Corona-Fall zählte der Pazifikstaat Papua-Neuguinea, als die Regierung den Notstand verhängte und das gesamte Land in einen zweiwöchigen Lockdown schickte. Botswana verordnete eine 28-tägige Ausgangssperre, nachdem das Land seinen sechsten COVID-19-Fall registrierte. Auch Simbabwe hatte keine zehn offiziellen Fälle, als es einen dreiwöchigen Lockdown ankündigte. Die Regierungen armer Länder stehen vor großen Herausforderungen. Zwar sind auch in Europa Wissenschaftler, Politiker und Beamte dazu gezwungen, weitreichende Entscheidungen auf Basis extrem unsicherer Daten zu treffen. Doch Afrikas Regierenden stehen noch unzulänglichere Informationen zu Verfügung. Offiziell gibt es auf dem ganzen Kontinent bislang nur ein paar Tausend Fälle – doch bis zum Januar gab es in ganz Subsahara-Afrika auch nur zwei Länder mit den Laborkapazitäten, um das neue Coronavirus nachzuweisen. Bis Mitte März waren immerhin 40 von 49 Staaten der Region dazu in der Lage, entsprechende Tests durchzuführen. Doch an großflächige Testkampagnen, die Experten als Schlüsselelement zur erfolgreichen Eindämmung des Virus sehen, ist kaum zu denken. Nur drei Beatmungsgeräte in der Zentralafrikanischen Republik? Derweil setzen Polizei und Militär in vielen Staaten auf rohe Gewalt, um die Ausgangssperren durchzusetzen. Journalisten werden mundtot gemacht. „Die Sicherheitskräfte drohen im Kampf gegen COVID-19 zum Menschenrechtsrisiko zu werden“, warnt deshalb Amnesty International. Sollte es in afrikanischen Staaten zu einer weiteren Ausbreitung von COVID-19 kommen, befürchten einige Experten dramatische Folgen. Zwar ist die Bevölkerung des Kontinents jung, doch vielerorts sind Mangelernährung und schwere Vorerkrankungen wie AIDS, Malaria oder Tuberkulose verbreitet. Es gibt jedoch noch keine belastbaren Erkenntnisse, welche Folgen COVID-19 bei diesen Menschen haben könnte. In den Slums mangelt es außerdem an Sanitäranlagen, Abstand zu halten ist kaum möglich. Vor allem aber dürfte der Punkt, an dem das Gesundheitssystem kollabiert, sehr schnell erreicht sein. In ganz Malawi gibt es beispielsweise nur 25 Intensivbetten, Uganda verfügt über 55 Betten für 43 Millionen Menschen. In der Zentralafrikanischen Republik gibt es einem Bericht der Financial Times zufolge nur drei Beatmungsgeräte. In Sierra Leone existieren 18 solcher Maschinen. In Burkina Faso kommen elf Geräte auf 19 Millionen Menschen. Es ist nicht ganz klar, wie aktuell diese Zahlen sind, denn auch afrikanische Staaten versuchen unter Hochdruck, ihre Kapazitäten zu steigern. Doch währenddessen kaufen reichere Staaten Zigtausende Beatmungsgeräte, um sich für COVID-19 zu rüsten und treiben die Preise in die Höhe. Ganz gleich wie viel Sinn Lockdowns aus epidemiologischer Sicht machen mögen: Hunderte Millionen Menschen auf der Welt leben von der Hand in den Mund. Können sie tagsüber nicht arbeiten, haben sie abends nichts zu essen. Und selbst wenn die Lockdowns vorbeigehen, droht die Wirtschaftskrise: Schon 90 Länder haben beim Internationalen Währungsfonds Finanzhilfen erbeten. Wegen der Corona-Krise haben Anleger bereits mindestens 90 Milliarden US-Dollar aus den Schwellen- und Entwicklungsländern abgezogen. In Asien liegt die Textilindustrie brach, entlang der Küsten ist der Tourismus ausgestorben. Selbst Währungsfonds und Weltbank plädieren mittlerweile für ein Schuldenmoratorium. „Zerbrechlich und verwundbar in den besten Zeiten, stehen die afrikanischen Volkswirtschaften vor einem Abgrund“, warnt Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed. Es sei im Interesse der reicheren Nationen, Afrika beizustehen – ansonsten pralle das Virus bloß von Afrika zurück in die Welt. Ein Virus, das Grenzen ignoriere, könne durch nationale Alleingänge nicht erfolgreich bekämpft werden. Korrektur: Die Financial Times hat ihre Zahlen zu den in westafrikanischen Staaten verfügbaren Beatmungsgeräten aktualisiert. Auch wir haben sie angepasst. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren