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»Gewöhnlich« sind Brandanschläge auch geworden, weil sie nicht mehr einstimmig verurteilt werden. Selbst Landespolitiker rechtfertigen die Taten oder formulieren ihre Aussagen so, dass sie von den Tätern als Rechtfertigung interpretiert werden können.
Die Regierung scheint bis jetzt halbwegs hilflos. Das ist verständlich. Deutschland hatte in den letzten zwei Jahrzehnten kein ernsthaftes Problem mit rechten Bewegungen: Die NPD wurde nicht gewählt und die rechte Szene blieb weitestgehend unter sich.
Frankreich, Belgien, Italien und viele andere Länder haben seit Jahrzehnten starke rechtsextreme Strömungen und erfolgreiche rechte Parteien. Deutschland war in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Es wirkte vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte so, als würde diese Ausnahme lange bestehen.
Heute ist das anders. Das Wissen über die NSU-Terrorgruppe verändert das Bild. Die Rechtsextremen haben mit PEGIDA und der AfD wieder eine Brücke zur Gesellschaft gefunden.
Derzeit ist das Problem rechter Gewalt in Deutschland deutlich stärker als in den Nachbarländern. Die Polizei ist in einigen Bundesländern überfordert, die Sicherheit, besonders in Flüchtlingsheimen, zu gewährleisten.
Niemand möchte in einer rechtsfreien »No-Go-Area« leben. Allerdings wird zurzeit hingenommen, dass manche Regionen als solche bezeichnet werden, weil der Staat nicht mehr in der Lage ist, sein geltendes Recht durchzusetzen.
Das deutsche Grundgesetz sieht bei inneren Notständen vor, die Bundeswehr auch im Inland einsetzen zu dürfen. Ein innerer Notstand wird »[z]ur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes [...]«4 angeordnet.
Hat die Polizei weiterhin Probleme, die Sicherheit aufrechtzuerhalten, sollte diese Möglichkeit nicht unüberlegt bleiben. Das funktioniert allerdings nur, wenn ein Brandanschlag nicht als »gewöhnliche« Nachricht empfunden wird.
Orte der Brandanschläge auf Flüchtlingsheime (1. Januar bis 25. August 2015):
Bayern
13.04.2015 Hepberg
17.04.2015 Heppberg (Eichstätt)
07.05.2015 Wallersdorf
14.07.2015 Prien
16.07.2015 Reichertshofen
18.07.2015 Waldaschaff (Aschaffenburg)
20.08.2015 Neustadt an der Waldnaab
Sachsen
08.01.2015 Dresden
03.06.2015 Hoyerswerda
28.06.2015 Meißen
31.07.2015 Lunzenau
25.08.2015 Döbeln
Nordrhein-Westfalen
24.02.2015 Coesfeld
27.07.2015 Wuppertal
07.08.2015 Duisburg-Hochfeld
24.08.2015 Espelkamp
Baden-Württemberg
19.07.2015 Remchingen
30.07.2015 Balingen
24.08.2015 Weissach im Tal
Brandenburg
16.05.2015 Zossen
25.07.2015 Brandenburg/Havel
25.08.2015 Nauen
Sachsen-Anhalt
04.04.2015 Tröglitz
06.08.2015 Haldensleben
11.08.2015 Haldensleben
Berlin
31.03.2015 Berlin-Kreuzberg
20.08.2015 Berlin-Marzahn
Rheinland-Pfalz
06.05.2015 Limburgerhof
13.08.2015 Niederstedem
Schleswig-Holstein
09.02.2015 Escheburg
29.06.2015 Lübeck
Hessen
28.07.2015 Büttelborn
Autor:innen
Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.
Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.
Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)
Pressebilder: