In Comics, in Filmen und in der Literatur sind Journalisten seit über 100 Jahren ein beliebtes Motiv. Sie sind wahrscheinlich eine der am häufigsten betrachteten Berufsgruppen in der Popkultur. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema hat eine lange Tradition, ist in der Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt. Dabei lässt das Thema womöglich Rückschlüsse auf das Image von Journalisten in der breiten Gesellschaft zu, denn die wenigsten Bürger sind tatsächlich mit dem journalistischen Alltag vertraut. Viele kennen sie eher aus Filmen oder Comics. Es gibt tatsächlich einige sozialwissenschaftliche Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass popkulturelle Darstellungen bestimmter Berufsfelder deren öffentliche Wahrnehmung mitunter stark beeinflussen. Welches Bild wird in Filmen und Literatur von Journalisten gezeichnet? Kein einheitliches, er ist mal selbstloser Held, mal egoistischer Schurke. So schrieb der Journalist Egon-Erich Albrecht bereits 1928: »Jedesmal, wenn ein Journalist in den modernen Stücken die Bühne betritt, dann ist es entweder ein Trottel […], der sich nicht zu benehmen weiß, der taktlos und ungeschickt, ja geradezu polizeiwidrig dämlich ist […] oder er ist ein dienender, serviler Speichellecker oder eine Sensationshyäne ohne menschliches Gefühl und Gewissen, der beispielsweise bei einem Unglück ›nur‹ 20 Tote nicht genug sind und die deshalb gleich einige Nullen hinzufügt.« Grafik herunterladen Die Autorin Gabriele Jelle Behnert nannte die Negativdarstellungen von Pressevertretern später gar »eine der nachhaltigsten Rufmordkampagnen der Filmgeschichte«. Andere Autoren sehen hingegen ein überwiegend positives Bild von Journalisten vermittelt. Die Soziologin Cecilia von Studnitz beispielsweise stellte 1983 eine Veränderung des Journalistenbildes hin zum Positiven fest: »Was einst als Charakteristikum negativer journalistischer Helden galt, zeichnet heute oft gerade den positiven Helden aus. [...] [G]erade, weil er pragmatisch orientiert, desillusioniert, listenreich und berechnend die Anforderungen seiner Gesellschaft erfüllt, wird er zum ebenso positiven wie guten Journalisten.« Die verschiedenen Journalistentypen In der Popkultur tauchen die unterschiedlichsten Archetypen von Reportern auf. Die Darstellungen wechseln zwischen abstoßend und romantisch, schurkisch und heldenhaft. Die Wissenschaft hat eine ganze Reihe typischer Journalistenbilder ausgemacht. Die US-Journalistikprofessoren Matthew C. Ehrlich und Joe Saltzman zählen 14 zu den am weitest verbreiteten Charakteren, beziehen sich aber ausschließlich auf amerikanische Filmbeispiele. Eine Auswahl: (1) Der Kolumnist und Kritiker. Er ist einer der bekanntesten »Bösewichte« der Zeitungsbranche. Der machthungrige Klatschkolumnist macht vor nichts halt, um an Informationen zu gelangen. Er ist – genauso wie der eiskalte Theaterkritiker – das Negativbild eines Medienvertreters. (2) Der Verleger und Medienmogul. Dieser Typus versucht meist, die Medien für seine eigenen, egoistischen Zwecke auszunutzen. Obwohl er in Ausnahmefällen als gutmütiger Journalist dargestellt wird, sorgt er sich meist vor allem um seinen politischen oder wirtschaftlichen Einfluss. Um den Absatz oder die Auflage zu steigern, tut er alles. (3) Der Herausgeber und Produzent. Dieser Journalist ist typischerweise schroff und scharfzüngig, verbirgt dahinter aber oft eine sensible Seite. Er brüllt Jungjournalisten wie erfahrenen Reportern Befehle entgegen und feuert regelmäßig seinen Starreporter – der natürlich immer wieder zurückkommt. Er entscheidet, welche Nachrichten wie und wo veröffentlicht werden. In Filmen kommt meist mindestens ein Streit zwischen dem Herausgeber und seinem Reporter vor. (4) Der Jungreporter. Mit dem jungen, unerfahrenen Reporter kann sich jeder Zuschauer identifizieren. Er weiß wenig über den Beruf des Journalisten und kann all die Fragen stellen, die das Publikum beantwortet haben will. Wenn ein erfahrener Journalist ihn berichtigt, kann der Zuschauer über ihn lachen oder gemeinsam mit dem Jungjournalisten lernen. (5) Der Journalistenveteran. Der grauhaarige männliche Reporter oder Nachrichtenmoderator taucht in vielen Journalistenfilmen auf. Regelmäßig beklagt er den Verlust der guten alten Zeit. Manchmal muss er seine Kollegen an ihre hehren Prinzipien erinnern und manchmal zermürbt er sie mit seinem bitteren Zynismus. (6) Der investigative Journalist. Er arbeitet unermüdlich und heldenhaft, um der Öffentlichkeit zur Gerechtigkeit zu verhelfen; er verhält sich loyal gegenüber seinen Kollegen und seiner Zeitung oder seinem Sender. Gewöhnlich wird er von »den Bösen« bedroht und beweist großen Mut, weil er für seinen Beruf sein Leben aufs Spiel setzt. Manchmal stirbt er auch, besonders dann, wenn er eine Nebenrolle besetzt und vom Starreporter gerächt werden kann. (7) Der Fotojournalist. Oft wird der Nachrichtenfotograf als couragierter Charakter dargestellt, der im Auftrag der Öffentlichkeit unbeschreibliche Grausamkeiten ablichtet und dabei selbst nur knapp mit dem Leben davonkommt. Vor allem in alten Filmen ist die Rolle jedoch negativ besetzt. Hier tut der Fotojournalist alles, um sein Exklusivfoto zu bekommen, egal ob er dafür lügen, betrügen oder Freunde ausnutzen muss. Manchmal fälscht er sogar die Aufnahmen. (8) Der Kriegs- und Auslandskorrespondent. Er ist der unbestrittene Held unter den Reportern – er stellt sich tapfer den Gefahren an der Front, um der Öffentlichkeit in der Heimat die Kriegsgeschehnisse zu schildern. Besonders in älteren Filmen ist er ein Patriot, der die Truppen und sein Land uneingeschränkt unterstützt. Chauvinismus und Rassismus spielen dann auch keine Rolle. In moderneren Filmen ist die Figur nuancierter, der Kriegsberichterstatter versucht das Gleichgewicht zwischen Patriotismus und fairer Berichterstattung zu wahren. Die weibliche Kriegskorrespondentin gewinnt dank ihrer Professionalität und ihrem Mut den Respekt der Soldaten und ihrer männlichen Kollegen. Dieses Bild steht im Kontrast zu der sexy, nicht sehr hellen Journalistin, die die Hilfe eines Mannes braucht. Damals wie heute ist dieser Typus eine der interessantesten Journalistendarstellungen und der perfekte Filmheld. (9) Die weibliche Journalistin. In älteren Filmen wird die Journalistin vor allem als »sob sister« (engl. »weinerliche Schwester«) dargestellt, die als Frau emotionale Geschichten schreibt. Später wandelt sich das Bild etwas und sie wird in der Männerdomäne als gleichwertig betrachtet: eine Karrierefrau, die mit jedem Mann trinkt, auf Augenhöhe mit ihm streitet und sich gegen alles und jeden behauptet. Trotzdem bleibt sie eine Frau, die lange und heftig weint, wenn sie der Mann, den sie liebt, nur als Schwester oder Freund behandelt. Diese Charaktere, egal wie hart und unabhängig, wurden ständig dazu gedrängt, ihre Karrieren für Ehe, Kinder und ein Leben als Hausfrau aufzugeben. Spätere Journalistinnen wurden zwar immer unabhängiger, aber die Ähnlichkeiten zwischen den frühen Sob Sisters und den Charakteren des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts sind auffällig. Grafik herunterladen Parallelen zwischen Fiktion und Wirklichkeit In einer umfangreichen Studie hat die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Cordula Nitsch Journalistendarstellungen in US-amerikanischen und deutschen Romanen miteinander verglichen. Was ihr auffällt: Genauso wie die deutsche Öffentlichkeit unterscheiden wissenschaftliche Arbeiten selten zwischen den verschiedenen Ausprägungen des Berufs. In ihrer Studie beschränkt sie sich daher auf Darstellungen von Fernsehjournalisten in den Jahren 1970 bis 2005. Das ist insofern interessant, als dass zwischen dem deutschen und dem US-Fernsehsystem grundlegende Unterschiede bestehen. Während das amerikanische Fernsehen (fast) ausschließlich private Fernsehsender kennt, gab es in der Bundesrepublik bis 1984 lediglich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit der Einführung des dualen Mediensystems veränderte sich auch die Darstellung des Fernsehjournalismus in der deutschen Literatur. »Neben den Zielparametern des öffentlich-rechtlichen Auftrags bestimmen seitdem verstärkt ökonomische Imperative die journalistische Arbeit.« Das trifft auch auf deutsche Romane zu: Ab Mitte der 80er wird der Arbeitsalltag von Journalisten hier zunehmend vom Quotendruck bestimmt – parallel zur realen Entwicklung. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer treten sowohl in der Realität als auch in der Literatur Meldungen über Unglücke und Kriminalität in den Vordergrund, die politische Berichterstattung nimmt ab. Gleiches gilt für die Unsicherheit des Arbeitsplatzes. Vor der Einführung des Privatfernsehens werden wirtschaftliche Zwänge nicht ein einziges Mal thematisiert, danach sind sie der Hauptgrund. Mit dieser Veränderung nehmen auch die »Hinweise auf politische Einflussnahme auf die Arbeit der Journalisten« ab. Solche Kritik bleibt – wie auch in der Realität – vor allem gegen öffentlich-rechtliche Sender gerichtet. In US-Romanen spielen politische Einflussnahmen auf Journalisten gar keine Rolle. Was Nitschs Studie aus dem Jahr 2010 noch nicht berücksichtigen konnte, sind die jüngsten Entwicklungen, bei denen nicht nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern auch vielen anderen Medien staatsnahe Berichterstattung durch einen Teil der Öffentlichkeit vorgeworfen wird. Die Anschuldigungen, teilweise als Kampagne geführt, haben aktuell sicherlich eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf das Image von Journalisten. Weitere Übereinstimmungen zwischen Realität und fiktionaler Darstellung – wenn sie in den Romanen thematisiert werden – beziehen sich auf die Ausbildung, das Alter und die Geschlechterverteilung von Fernsehjournalisten. Während Reporter in den USA oft ein Medienfach studiert haben, sind deutsche Journalisten häufiger Quereinsteiger. Die mit der Einführung des dualen Mediensystems neu geschaffenen Arbeitsplätze verjüngen die Altersstruktur. Analog zum tatsächlichen Anstieg des Frauenanteils bei den Fernsehjournalisten nimmt dieser auch in den Romanen zu. Dabei bekleiden Frauen seltener eine leitende Position. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Arbeitsalltag realer und fiktiver Fernsehjournalisten liegen in der hohen Arbeitsbelastung und ihrer politischen Einstellung, die Nitsch als zu einem Großteil als linksliberal beschreibt. Single, Säufer, Kriminalist – journalistische Zerrbilder Während die allgemeinen Verhältnisse in den Romanen also grundsätzlich mit den jeweiligen Rahmenbedingungen im Fernsehjournalismus übereinstimmen, verzerren die Geschichten diese zugleich. Das geschieht, indem reale Gegebenheiten in den Romanen gar nicht beziehungsweise nur beiläufig genannt, oder aber überbetont werden. Viele Autoren erwähnen in ihren Geschichten beispielsweise keine journalistischen Kontrollorgane oder medienrelevanten Gesetze. »Durch die Marginalisierung dieser Aspekte wird das Realitätsbild der Leser zwar nicht direkt beeinflusst, implizit kann jedoch der Eindruck entstehen, die Journalisten seien in erster Linie unpolitisch und weder an rechtliche Regelungen gebunden noch Kontrollinstanzen unterworfen.« Vor allem in den deutschen Romanen weist Nitsch ab 1986 einen starke Überbetonung des ökonomischen Drucks nach: »Einschaltquoten sind oft der alleinige Maßstab für die journalistische Arbeit«. Dementsprechend sieht sie die deutschen Journalisten in den Romanen eher als »Verkäufer« charakterisiert, die amerikanischen Kollegen werden hingegen vor allem als »Detektive« dargestellt. Das spiegelt sich in den Themen wider, mit denen sich die fiktiven Reporter ab 1986 beschäftigen. 77 Prozent der amerikanischen Romanjournalisten befassen sich mit Kriminalfällen wie Mord, Entführung, Vergewaltigung, Drogenhandel oder Korruption. In deutschen Büchern sind es nur 52 Prozent. Dennoch belegt dieses Thema in beiden Fällen den ersten Platz, was die Realität enorm verzerrt. Folgerichtig (aber ebenfalls übertrieben) geraten viele fiktive Reporter während ihrer Arbeit in Lebensgefahr – über 20 Prozent der deutschen und 30 Prozent der US-Journalisten. Etwa 40 Prozent aller Romanjournalisten machen sich darüber hinaus bei ihren Recherchen strafbar oder nehmen es mit der Berufsethik nicht so genau. Glaubt man den Büchern, so verdienen Journalisten sechsstellige Monatsbeträge, sind indes aber ledig und ohne Kinder. Interessant sind darüber hinaus die proklamierten Geschlechterstrukturen. In deutschen Romanen kommen zwar immer öfter Frauen vor, jedoch ist dieser Frauenanteil wesentlich geringer als in der Realität – in der amerikanischen Literatur hingegen ist es genau umgekehrt. Auch wenn man es nicht beweisen kann – vermutlich ist auch der Alkoholkonsum der fiktiven Journalisten übertrieben. Vor allem in deutschen Romanen gehen der Beruf des Reporters und die Berufung zum Trinker Hand in Hand. Nitsch fand heraus, dass bei über 70 Prozent der Protagonisten Alkoholkonsum beschrieben wird, über 40 Prozent trinken sogar sehr oft bis exzessiv. Das undurchsichtige Journalistenpuzzle Obwohl die Rahmenbedingungen journalistischer Arbeit in der Popkultur im Großen und Ganzen mit der Wirklichkeit übereinstimmen, sind die fiktiven Reporter oft überzeichnet. Dies als »Rufmordkampagne« zu verstehen, führt aber an der Sache vorbei. Hollywoodfilme oder Romane wollen in erster Linie unterhalten. Man stelle sich nur einmal Spider-Man alias Fotoreporter Peter Parker vor, wie er stundenlang seine Filme entwickelt. Dagegen spricht auch, dass zumindest für Romane gilt, dass deren Autoren meist selbst als Journalisten gearbeitet haben. Dennoch hatten Journalisten – auch unabhängig von den jüngsten Entwicklungen – immer schon einen zweifelhaften bis schlechten Ruf, das belegen unzählige Umfragen. Das größte Problem ist dabei das fehlende Vertrauen gegenüber den Medienvertretern. Maximilian Gottschlich und Fritz Karmasin haben sechs Kriterien ermittelt, die für das Image eines Berufes relevant sind: »eine vorstellbare Aufgabenbeschreibung«, »das Wissen und die Vorstellungen über den Werdegang dieser Personengruppe«, »damit verbunden die Beschreibbarkeit des Tätigkeitsbereiches«, »unmittelbare Kontaktmöglichkeit«, »Vorstellungen über Berufs- und Verhaltenskodex« und »eine adäquate Einschätzung seiner sozialen Funktionen, d.h. die Wichtigkeit für die Gesellschaft«. Einige dieser Kriterien kann die Öffentlichkeit für Medienvertreter nicht beantworten. Es ist möglich, dass solche Leerstellen durch Vorurteile gefüllt werden, die auch dem popkulturellen Journalistenbild entspringen. Zumindest unterstellt die Publizistin Sandra Lieske diesem einen starken und langfristigen Einfluss. Der fiktive Reporter ist aber nur ein Puzzleteil bei der Konstruktion des Journalistenimages. Auch nachhallende reale Verfehlungen oder strukturelle Eigenheiten des Berufs, wie seine Gatekeeper-Position, lassen das Misstrauen gegenüber Journalisten fortbestehen. Aktuelle Ausgabe Dieser Text erschien in der elften Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren