Studie: „COVID-19 and European carcerality: Do national prison policies converge when faced with a pandemic?“
von Olga Zeveleva und José Ignacio Nazif-Muñoz. (März 2021)
Die Corona-Pandemie hat zu großen Einschnitten im Leben vieler Menschen geführt. Staaten haben versucht, durch drastische Maßnahmen das Virus einzudämmen. Soziale Kontakte sollten reduziert und große Menschenmengen gemieden werden. Somit kam das gesellschaftliche Leben nahezu zum Erliegen. Ähnliches ließ sich auch in Gefängnissen beobachten. Da dort viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben, sind diese besonders durch übertragbare Krankheiten gefährdet. Auch nach außen findet ein reger Austausch statt. Besuche von Angehörigen in den Gefängnissen verstärken das Risiko eines Corona-Ausbruchs. In ihrer Studie untersuchen Olga Zeveleva und José Ignacio Nazif-Muñoz zwei staatliche Maßnahmen, die zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 in europäischen Gefängnissen eingeführt wurden, um Corona-Ausbrüche zu verhindern. Zum einen kann das Besuchsrecht eingeschränkt und zum anderen können Gefangene begnadigt oder vorzeitig entlassen werden. Je früher eine Maßnahme eingeführt wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass das Coronavirus in den Gefängnissen wütet. Gerade die erste Maßnahme wurde jedoch intensiv diskutiert. Der Besuch ist ein besonders schützenswertes Recht für die Gefangenen. Dennoch haben sich alle der 47 untersuchten europäischen Länder dazu entschieden, nach den ersten Corona Fällen das Besuchsrecht einzuschränken. Lediglich 16 Länder entließen Gefangene vorzeitig. Wie schnell die beiden Maßnahmen eingeführt wurden, ist von Land zu Land unterschiedlich. Die beiden Wissenschaftler:innen zeigen, dass vor allem überfüllte Gefängnisse staatliche Reaktionen nach sich ziehen. Gefangene werden zügiger und früher entlassen, wenn die Gefängnisse eines Landes an ihren Kapazitätsgrenzen sind. Anders verhält es sich beim Besuchsrecht. Hier ist vor allem der Anteil der Ausländer:innen ausschlaggebend: In Gefängnissen mit nur wenigen ausländischen Gefangenen wird diese Schutzmaßnahme wesentlich schneller eingeführt. Befinden sich hingegen viele Ausländer:innen im Gefängnis, wird das Besuchsverbot später erlassen. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass bestimmte Arten von Gefangenen besser geschützt werden sollen als andere. Um diese Annahme zu stützen, müsste jedoch weitere Forschung durchgeführt werden. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren