Handelspolitik
Trumps Zölle treffen Asien hart – doch ein Land wittert seine Chance
BATANGAS, Philippinen – Für fast jeden in Asien bedeuten die von US-Präsident Donald Trump jüngst verkündeten drastischen Zollerhöhungen eine Katastrophe. Jeden außer Liu Gang. Er sieht darin eine einmalige Gelegenheit, seine Elektronikfabrik auf den Philippinen massiv zu erweitern.
„Ich sage den Unternehmen: ‚Kommt auf die Philippinen‘“, ruft Liu über das dröhnende Stampfen mehrerer 400-Tonnen-Maschinen hinweg, die im Stockwerk unter ihm Metallteile für Fujitsu-Geldautomaten produzieren.
Seit dem 2. April gelten die schärfsten Zölle der Trump-Regierung – auf Produkte, die in China und einigen seiner aufstrebenden Rivalen in Südostasien hergestellt werden: Vietnam, Kambodscha, Thailand und Indonesien. Die Strafabgaben könnten Standorte, die einst als begehrteste Produktionsstätten für Autos, Taschen, Schuhe und Elektronik galten, schlagartig unattraktiv machen.

Mit einer Ausnahme: den Philippinen.
Auch sie wurden zwar mit Zöllen belegt, doch ihre Wirtschaft basiert stärker auf Dienstleistungen und Landwirtschaft – und ist damit weniger anfällig für Washingtons gezielte Zölle. Sie sollen vor allem industriell geprägte Volkswirtschaften treffen, um Arbeitsplätze zurück in die USA zu holen. Auf philippinische Waren entfallen Strafzahlungen von 17 Prozent – das ist zwar immer noch hoch, aber weniger als halb so viel wie die Zölle auf Produkte aus Thailand, und fast ein Drittel weniger als die Abgaben für Vietnam.
Die philippinische Regierung ist möglicherweise die weltweit einzige, die Trumps Zölle als „gute Nachricht“ bezeichnete. Nur wenige Stunden nach der Ankündigung erklärte ein Regierungssprecher, die Auswirkungen seien „minimal“, und fügte hinzu: „Wir könnten sogar Investoren aus Ländern gewinnen, die stärker von Zöllen betroffen sind.“
Plötzlich erscheinen die Philippinen auf dem Radar internationaler Firmen, die händeringend nach Alternativen zu ihren Standorten in Vietnam oder Thailand suchen.
Mindestens ein halbes Dutzend Unternehmen mit Kunden in den USA ist in den vergangenen Wochen bei Liu und anderen Firmen in der Provinz Batangas vorstellig geworden – etwa 90 Autominuten südlich der Hauptstadt Manila. Einige haben sich bereits entschieden, ihre Produktion zu verlagern. Eine überraschende Wendung für ein Land, dem bislang die industrielle Schlagkraft fehlte, mit der andere asiatische Nationen der Armut entkommen sind.

Doch der Wandel könnte nur vorübergehend sein. Länder wie Vietnam verhandeln unter Hochdruck mit Washington, um die wirtschaftlich verheerenden Zölle rückgängig zu machen. Und die Philippinen stehen vor Herausforderungen: Rohstoffe wie Gummi oder Stahl sind schwerer zu beschaffen und teurer als in China. Auch der Bau von Fabriken dauert länger. Doch das Land punktet mit einer großen Arbeitnehmerschaft, die jung und vergleichsweise günstig ist.
Liu hat den Großteil seiner Produktion bereits 2018 von Dongguan in Südchina nach Batangas verlegt, als Trump während seiner ersten Amtszeit seinen Handelskonflikt mit China lostrat. Damals begannen Kunden wie der japanische Elektronikhersteller Epson oder der US-Industriezulieferer Emerson, ihre chinesischen Fabriken zu schließen und die Produktion zu verlagern.
Die Anfangszeit war hart: Arbeitskräfte waren schwer zu finden, Aluminium kostete dreimal so viel wie in China, und die Produktivität der neuen Beschäftigten war niedriger. Trotzdem überwog der Optimismus. „Die Philippinen sind heute wie China vor 15 Jahren“, sagt Kevin Lee, Vertriebsleiter bei HYS Enterprise, dem Eigentümer der Fabrik in Batangas. Der große Vorteil: niedrigere Löhne. Während ein Arbeiter in China monatlich rund 820 US-Dollar verdient, sind es auf den Philippinen nur etwa 274, so Lee.
HYS begann, wöchentlich zwei Container Rohmaterialien aus China zu importieren – darunter Kunststoffpellets, Aluminiumrollen, Schrauben und Muttern. Liu holte chinesische Ingenieure ins Land, um mit dem einheimischen Personal zusammenzuarbeiten und Produktionsprozesse zu automatisieren. Das Geschäft zog an. 2022 kaufte das Unternehmen ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück für eine dritte Fabrik, die bald mit Druckguss und Lackierungen beginnen wird – etwa für Türverkleidungen von Toyota. Diese strategische Entscheidung zahlt sich nun aus, da Washington die Zölle auf chinesische Waren auf über 100 Prozent erhöht hat.
Inzwischen positioniert Liu seine Fabrik als „One-Stop-Shop“ für Unternehmen, die der Zollspirale in anderen Nachbarländern entkommen wollen.
„Man sollte nicht alle Eier in einen Korb legen“, erklärt er einem potenziellen Neukunden bei dessen Besuch, während die Ingenieure nebenan neue Werkzeuge für Stanz- und Drahtschneidemaschinen entwerfen.
In der neuen Nachbarfabrik formen Spritzgussmaschinen aus Kunststoffpellets Druckerschalen. Einige Reihen weiter stanzen und schneiden drei riesige Laserschneidgeräte Metallplatten, die später in den Gehäusen von Emerson-Netzteilen Verwendung finden. Auf der anderen Seite der Fabrikhalle verlässt ein Arbeiter gerade seine Schweißstation zur Mittagspause. Eine Kiste mit Metallteilen zeigt das Ergebnis seiner morgendlichen Arbeit – Dutzende von Teilen, die dazu dienen, Kabel an einem Honda-Motorrad zu befestigen.
Auch in der nahegelegenen Fong-Shann-Druckerei tut sich etwas: In den letzten Tagen sind Vertreter von vier Unternehmen aus Vietnam, Taiwan und China vorbeigekommen, um Verträge über Verpackungen für Produkte abzuschließen, die künftig auf den Philippinen gefertigt werden sollen. „Wir haben bereits vier neue Kunden“, sagt Alan Tu, stellvertretender Geschäftsführer von Fong Shann in Batangas. „Aufgrund der Zölle suchen viele nach Alternativen.“
An einem der letzten Arbeitstage drucken drei Mitarbeiter aus der Design- und Qualitätskontrolle das Benutzerhandbuch für einen Taschenrechner von Texas Instruments – und prüfen es Zeile für Zeile. Nur wenige Meter entfernt stellen Industriedrucker Verpackungen für Lebensmittel, elektrische Klaviere und Casio-Rechner her.
Angesichts unterbrochener Lieferketten und wachsender geopolitischer Spannungen melden sich zunehmend Kunden aus Australien bis Großbritannien. Viele Hersteller mieten nun Flächen in einer der Dutzenden Sonderwirtschaftszonen auf den Philippinen, um testweise ihre Produktion dorthin zu verlegen – Steuererleichterungen inbegriffen.
Nur eine kurze Fahrt entfernt, in einem anderen Industriepark, bereitet der japanische Medizintechnikhersteller Arkray die Ausweitung seiner Produktion vor. Die in die USA exportierten Geräte – darunter Laktatmesser sowie Geräte für die Diagnose von Diabetes und für Urinanalysen – sollen künftig verstärkt auf den Philippinen gefertigt werden.
„Wir prüfen gerade, wie wir unsere Lieferkette umstellen können“, sagt Hideaki Anai, der zuständige Manager bei Arkray. Zwar entwickle man die meisten Produkte in Japan, betreibe jedoch Werke auf der ganzen Welt – seit Neuestem auch in Vietnam und Mexiko.
„Wir könnten rund 70 Prozent der für die USA bestimmten Produktion aus anderen Ländern hierher verlagern“, sagt Anai. Die Umstellung betreffe etwa die Hälfte des Sortiments und könne innerhalb eines Monats erfolgen – allerdings müssten für die rund 400 Artikel neue Registrierungen beantragt und Etiketten angepasst werden.
„Bislang hatten wir null Prozent Zoll auf die Philippinen, jetzt sind es 17 Prozent“, sagt Anai. „Aber verglichen mit Japan, wo inzwischen 25 Prozent anfallen, und Taiwan mit 32 Prozent – da sind 17 Prozent wirklich ein guter Deal.“
übersetzt aus dem Englischen von Jette Schramm und Philipp Bauer
This article originally appeared in The New York Times
©2025 The New York Times Company

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