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Weltspendenkonto

Was kostet die Welt?

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PEACE1 lässt in Großstädten von Heliumballons aus echtes Bargeld auf überraschte Passanten flattern. Die Geldregen-Aktionen symbolisieren Freude am Teilen, und dass es mehr Privatvermögen auf der Erde gibt als je zuvor.

»Wir, die 10 Prozent der Bevölkerung, besitzen 90 Prozent des Vermögens und verbrauchen nahezu 80 Prozent der Ressourcen«, beschreibt Bundesminister Gerd Müller die globalen Verhältnisse. Er schließt seine Worte beim G7-Gipfel in Schloss Elmau: »Wir müssen neu teilen lernen.«

Ein Tausendstel des Privatvermögens reicht aus

PEACE macht dafür einen konkreten Vorschlag: Was wäre, wenn wir ein Tausendstel unseres Privatvermögens in eine globale Gemeinschaftskasse legen würden? Ein Tausendstel entspricht bei 1.000 Euro Vermögen 1 Euro. Was persönlich kaum spürbar erscheint, summiert sich global zu einem enormen Wert: Ein Tausendstel des weltweiten Privatvermögens entspricht dem Hundertfachen regulären Jahresbudget der Vereinten Nationen. In US-Dollar ausgedrückt: 293 Milliarden. Läge ein solcher Betrag jährlich in einer globalen Gemeinschaftskasse, könnte er uns viele nützliche Dienste leisten und von mancher Gefahr befreien.

Ein Tausendstel ist für alle gleich. Für den Gemeinschaftsgeist bedeutet ein Cent von einem mittellosen Bürger ebenso viel wie die Million von einem Milliardär. Was hier zählt, ist das Miteinander in einer gemeinsamen Aufgabe.

Wie viele Menschen auf Anhieb diese Sichtweise teilen, brachte im Frühjahr 2015 eine multinationale PEACE-Umfrage in Erfahrung. Ergebnis der Hochrechnung: 9 Millionen Briten, 14 Millionen Russen, 21 Millionen Japaner, 38 Millionen Deutsche und 70 Millionen US-Amerikaner wären bereit, ein Tausendstel ihres Privatvermögens für das weltweite Allgemeinwohl zusammenzulegen. Natürlich lassen sich Umfrageresultate nicht 1:1 in die Realität übertragen. Doch sie zeigen eine Möglichkeit auf: Es gibt zweifellos eine Bereitschaft, ein Tausendstel in eine globale Gemeinschaftskasse einzuzahlen. Nur gibt es bislang kein solches Weltkonto.

Ein Konto für 7,2 Milliarden Menschen

Ein Weltkonto wäre ein neues Gemeinschaftskonto aller Menschen für die Lösung planetarer Aufgaben. Die Aufgaben sind klar. Sie tragen den Namen »Nachhaltige Entwicklungsziele der Menschheit«. Über sie besteht weitgehend Konsens. Im kommenden September treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Erde in New York. Sie beschließen diese voraussichtlich 17 Ziele als richtungsweisend für die künftige weltweite Kooperation. Die Mittel eines Weltkontos würden in diese Ziele fließen, die sonst erfahrungsgemäß unterfinanziert und in weiten Teilen unrealisiert blieben.

Mit Geld allein ist es bekanntlich nicht getan. Finanzierung muss begleitet werden von »geeigneter Strategie, starkem öffentlichen Management und guten Durchführungskapazitäten«, resümiert der unabhängige britische Thinktank »Overseas Development Institute« zentrale Erfahrungen der globalen Kooperation. Diese Rahmenbedingungen finden sich am ehesten unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN). Sie bieten als weltweiter Staaten-Zusammenschluss eine vergleichsweise hohe Legitimation. Wichtige Aufgaben gemäß der UN-Charta sind die Sicherung des Weltfriedens, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auch im wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bereich.

Die UN-Organisation hat allerdings bislang kaum eigene Kompetenzen und ist oft auf den guten Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Unter anderem daran macht sich auch die Kritik vieler Beobachter fest. Gleichwohl sind die UN mit ihren Unterorganisationen die am häufigsten ausgezeichneten Friedensnobelpreisträger. Die PEACE-Umfrage (Motivaction NL) beinhaltete eine Teilfrage: »Es ist vorgesehen, dass ein solches Weltkonto von Menschen aus der ganzen Welt mitverwaltet wird. Welche Form des Bürgereinflusses auf ein UN-Weltkonto würden Sie bevorzugen?«

1. Eine weltweite Bürgervertretung aus entsandten nationalen Parlamentariern.
– Dafür: 11 Prozent

2. Eine weltweite Bürgervertretung aus »normalen« Menschen, die nach einem Zufallsverfahren ausgewählt werden.
– Dafür: 35 Prozent

3. Ein Weltkonto unterteilt in »Unterkonten« für jedes von den Vereinten Nationen beschlossene Ziel. Dadurch können Einzahler selbst entscheiden, welches Konto bzw. Ziel sie finanzieren möchten.
– Dafür: 54 Prozent

Die bisherigen Erkenntnisse erlauben eine Skizze eines möglichen Weltkontos:

1. Kuratorium
Beaufsichtigen könnte ein Weltkonto ein Kuratorium aus renommierten, erfahrenen und unabhängigen Persönlichkeiten. Diese Anforderungen erfüllen die UN-Generalsekretäre, die gemäß UN-Charta zur Emanzipation von jeglichen Abhängigkeiten verpflichtet sind. So könnten beispielsweise der amtierende und die ehemaligen UN-Generalsekretäre gebeten werden, dieses Gremium zu bilden. Zur Zeit wären dies Ban Ki-moon, Kofi Annan, Boutros Boutros-Ghali und Javier Pérez de Cuéllar.

2. Unterkonten
Für jedes von den Vereinten Nationen beschlossene Ziel bestünden Unterkonten. Einzahler bzw. Einzahlerinnen würden mit ihrer Überweisung über die von ihm oder ihr mitfinanzierten Ziele selbst entscheiden.

3. Verbindungsbüro
Dem Kuratorium würde ein Verbindungsbüro zur Seite stehen, das interne und externe Gremien zur Steuerung und Wirkungskontrolle koordiniert. Nutzbar wären bewährte Managementmodelle, z.B. das der Welthungerhilfe. Es ist für seine Transparenz ausgezeichnet und operiert weltweit mit 7,1 Prozent Marketing- und Verwaltungskosten (2013).

Wenn das jeder machen würde

Die Vereinten Nationen können die Basis für ein Weltkonto, nämlich die freiwillige Einzahlungsbereitschaft, selbst nicht schaffen. Ein Weltkonto muss vom einzelnen Menschen ausgehen.

Ein Weltkonto würde gemäß der Hochrechnung aus dem Stand über rund 70 Milliarden US-Dollar verfügen.

Ein Weltkonto würde gemäß der Hochrechnung aus dem Stand über rund 70 Milliarden US-Dollar verfügen. In einem vorsichtig kalkulierten Szenario, in dem nur jeder Zehnte der laut Umfrage Einzahlungsbereiten tatsächlich einzahlen würde, blieben rund 7 Milliarden US-Dollar. Das würde immer noch einen historischen Beitrag der Zivilgesellschaft darstellen. Er läge beispielsweise höher als das reguläre Jahresbudget der Vereinten Nationen (2,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015).

Freilich könnte auch mehr in ein Weltkonto fließen als die heute hochrechenbaren 70 Milliarden US-Dollar. Denn Einzahler in ein Weltkonto könnten gesellschaftlich begrüßt und in ihrem Gemeinsinn bestärkt werden. »Wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen kooperieren, dann ist die Kooperation jedes Einzelnen hoch; wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen nicht kooperieren, dann kooperiert tatsächlich keiner«, fasst der Züricher Professor Ernst Fehr weltweite Studien zusammen. Der Spezialist für experimentelle Wirtschaftsforschung sieht diesen Effekt in allen gesellschaftlichen Bereichen und empfiehlt daher dringend, »Umgebungen zu schaffen, die Menschen in ihren altruistischen Anlagen bestärken«.

Eigener Name als Werbeträger

Nur wie lässt sich Kooperationsbereitschaft glaubhaft machen? Hinweise dafür liefert wiederum ein Teil der Umfrage. Viele der Befragten finden es gut, die Einzahlungsbereitschaft mit einem kleinen Planetensymbol für Mitmenschen sichtbar zu machen. Wer die Gründung und Wirkung eines Weltkontos voranbringen will, verwendet demnach bei der Kommunikation ein Planetensymbol. Es signalisiert: »Ich wäre bereit, ein Tausendstel in ein künftiges Weltkonto einzuzahlen.«

Je mehr Menschen das tun, desto mehr wird sich die Möglichkeit eines Weltkontos herumsprechen. So kann eine sich selbst fortpflanzende Bürgerbewegung rund um den Globus entstehen, die ein mediales Echo auslöst und in der Gründung eines Weltkontos durch die Vereinten Nationen mündet. Ein Weltkonto entstünde damit wohl schneller und aussichtsreicher als auf jedem anderen Weg.

Das Planetensymbol sollte kulturell neutral und unabhängig vom Kommunikationsmedium sein. Besonders eignet sich dazu das Gradzeichen (°). Idealerweise setzt man es hinter den Vornamen: z.B. Joachim° Ackva. Je nach Medium (Facebook, Twitter etc.) lässt es sich auch anderweitig im Text positionieren. Links und Likes können auf www.planetearthaccount.de oder -.org verweisen, wo die Erklärung des Planetensymbols zu finden ist.

Was passiert mit dem Geld

Sicher an einem Weltkonto wäre zunächst nur, dass man ein Tausendstel zu wagen hat. Alle Erwartungen darüber hinaus sind Spekulation. Bei der Beschäftigung mit einem gut dotierten Weltkonto wird jedoch rasch klar, dass es gleichzeitig in zahlreiche Ziele investieren könnte. Das würde eine Menge Geld sparen, denn Fortschritte in einem Sektor verbessern oft ohne Aufwand die Lage in einem anderen.

So profitieren Umwelt, Wirtschaft, Lebensqualität und Gesundheit gleichermaßen von besserer Energie-, Wasser- und Abwasserinfrastruktur. Bessere Gesundheit und Ernährung führen zu besseren Bildungsergebnissen. Bessere Bildung zeitigt wiederum mehr Gesundheit und Fähigkeiten. Je mehr Menschen gleichzeitig Lebensverbesserungen und eine glaubhafte Perspektive spüren, desto geringer ist die Gefahr von Rückschlägen. Und so weiter und so fort.

Solche Synergien verdeutlichen, warum ein integrierter Ansatz wie ein Weltkonto viel Aufwand und Probleme sparen könnte. Durch Co-Finanzierungen und Zuschüsse an Staaten und Investoren würde ein Weltkonto zudem seine Wirkung vervielfachen können.

Viele bedenkliche Trends ließen sich so im Sinne der Menschheitsziele beeinflussen. Einige Beispiele:

1. Weltweit zieht sich die Zivilgesellschaft kontinuierlich seit neun Jahren zurück. Im Jahr 2014 beispielsweise verloren per Saldo 28 Länder an bürgerlichen Freiheiten. – Ein Weltkonto wäre eine fulminante Rückkehr der Zivilgesellschaft auf die Weltbühne. Es könnte im Verlauf seiner Mittelvergabe gute Regierungsarbeit zum Wohle der Bürger mit steigenden Zuschüssen belohnen, so z.B. Länder fördern, die Korruption reduzieren, Menschenrechte umsetzen, Umweltressourcen produktiver nutzen, Wirtschafts- und Finanzmärkte stabiler regeln, die Sicherheit ihrer Bürger verbessern, wirksame Bildungs-, Versorgungs- und Steuersysteme einführen und illegale Kapitalflüsse hemmen.

2. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger und banalen Gesundheitsstörungen. – Ein Weltkonto könnte zur Überwindung der extremen Armut ein globales Netz knüpfen. Ein UN-Bericht schätzt die benötigten Ausgaben dafür auf 66 Milliarden US-Dollar jährlich. Über eine Milliarde Menschen würden davon profitieren. Solch ein Existenzsicherungsprogramm könnte ähnlich wie das brasilianische »Bolsa Familia«-Programm z.B. mit Auflagen zu Schulbesuch und Gesundheitsversorgung der Kinder verknüpft werden. Auch der Mythos, dass die Rettung von Menschenleben zum Bevölkerungszuwachs beitragen würde, wäre damit beendet.

3. Seit 1970 halbierten sich auf der Erde jene Tierpopulationen, die das Gewebe der lebenserhaltenden Ökosysteme bilden. – Ein Weltkonto könnte den Schutz bzw. die nachhaltige Nutzung von Wäldern und Meeren finanziell belohnen oder an seine Mittelvergabe koppeln. Dies gilt insbesondere für den Schutz jener 2,3 Prozent der Erdoberfläche, die über 50 Prozent des verbliebenen Artenreichtums beherbergen (biologische Kernzonen).

4. Zwischen 2000 und 2010 verlor die Menschheit sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Erde. – Ein Weltkonto könnte die erforderlichen Bodenschutzprogramme von rund 10 Milliarden US-Dollar jährlich mitfinanzieren, um den Verlust von fruchtbarem Boden und die Ausbreitung von Wüsten einzudämmen.

Fazit

Wirkkraft, Legitimation, Synergien und global sichtbarer Gemeinschaftsgeist könnten ein Weltkonto einzigartig machen. Risiko-Chance-Verhältnis: Versagt es aus irgendeinem Grund, ist ein Tausendstel des Privatvermögens »in den Sand gesetzt«. Arbeitet ein Weltkonto hingegen planmäßig, bringt es viele Ziele der Menschheit kraftvoll voran. Wer es befürwortet, kann ein Planetensymbol ° bei der Kommunikation verwenden.

Am 19.06.2015 erschien Ackvas Buch »Es regnet Geld für ein Weltkonto. Die Tausendstel-Frage«.

Autor:innen

Joachim° Ackva
Dipl.-Betriebswirt (BA)

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