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Studie

Schlafmangel schadet der Demokratie

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Studie: „Insufficient sleep reduces voting and other prosocial behaviours“ von John B. Holbein, Jerome P. Schafer und David L. Dickinson (Mai 2019)

Der durchschnittliche US-Amerikaner schläft heute fast eine halbe Stunde weniger pro Nacht als noch 1985. 50 bis 70 Millionen Amerikaner leiden deshalb unter chronischem Schlafmangel – das ist jedoch in fast allen Industriestaaten so.

Schlafmangel hat einen negativen Einfluss auf die Produktivität und die Konzentrationsfähigkeit am Arbeits- oder Ausbildungsplatz und auf die Zufriedenheit im Berufs- und Privatleben. In einer Studie wurde nun untersucht, wie Schlafmangel das gesellschaftliche Miteinander beeinflusst. Die Idee des deutsch-amerikanischen Forschertrios: Ähnlich wie die durchschnittliche Schlafdauer ist auch in den letzten Jahrzehnten der gesellschaftliche Wille, sich an prosozialen Aktivitäten zu beteiligen, zurückgegangen – die Menschen sind also weniger motiviert, beispielsweise für wohltätige Zwecke zu spenden, Nachbarn zu helfen, ehrenamtliche Tätigkeiten zu übernehmen oder sich an Wahlen zu beteiligen. Besteht ein kausaler Zusammenhang?

Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher zunächst große Datensätze aus den USA und Deutschland. Allein in der Bundesrepublik konnten die Wissenschaftler Umfragen von über 20.000 Personen im Wahlalter analysieren. Die Werte korrelierten deutlich: Wer schlecht oder unzureichend lang schläft, nimmt seltener an Wahlen teil – zwischen sieben und 14 Prozentpunkten weniger. Diese Erkenntnis wurde mit Studien verglichen, die sich mit den sozialen Folgen der Zeitzonen in den USA beschäftigen. Menschen, die an den Ostgrenzen der Zeitzonen leben, schlafen im Schnitt 20 bis 25 Minuten weniger pro Tag als Personen, die an den Westgrenzen wohnen. Auch hier gilt: Wer weniger schläft, wählt weniger wahrscheinlich – die Korrelation ist mit zwei bis fünf Prozentpunkten Unterschied jedoch nicht so ausgeprägt wie im ersten Teil der Studie.

Um sicherzugehen, dass keine anderen Faktoren als Schlaf für die beobachteten Unterschiede innerhalb der Zeitzonen verantwortlich sind, führten die Wissenschaftler in einem letzten Schritt ein Experiment durch. Zwei Gruppen wurden zu unterschiedlichen Tageszeiten verschiedene Aufgaben gestellt – der einen nachts zwischen drei und fünf Uhr, der Kontrollgruppe tagsüber zwischen 14 und 16 Uhr. Im Anschluss mussten sie jeweils Fragen beantworten, die auf ihre Teilnahmebereitschaft an prosozialen Aktivitäten abzielten: Sind Sie bereit, eine Petition zur Verbesserung des Müllrecyclings in Ihrem Wohnort zu unterschreiben? Würden Sie Ihre Gehaltsprämie spenden? Zuletzt: Werden Sie an den kommenden Wahlen teilnehmen?

Die Ergebnisse bestätigen die Korrelationen aus den ersten beiden Studienteilen und weisen bereits bei kurzfristigem Schlafentzug auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Schlafdauer und -qualität und prosozialem Verhalten hin.

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