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Datenschutz

Passiv und gläsern

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Der Europäische Gerichtshof hat die Vereinbarung zwischen der EU und den USA zum Datentransfer für ungültig erklärt. Hintergrund des sogenannten Safe-Harbour-Abkommens ist, dass in den USA keine umfassenden gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz existieren, die dem europäischen Standard entsprechen. Dennoch wurde vereinbart, dass die Übermittlung personenbezogener Daten trotz dieser »Systemunterschiede« stattfinden darf, wenn sich die USA zur Einhaltung bestimmter Prinzipien und Richtlinien verpflichtet. Die dort ansässigen Unternehmen haben so weiterhin Zugriff auf persönliche Daten europäischer Nutzer.

Denkt man an die Enthüllungen Edward Snowdens, müsste man hier laut aufschreien. Frei nach Stéphane Hessel: Über dieses Abkommen kann und soll man sich empören.

Zwar müssen auch die USA und dortige Unternehmen die erforderlichen Richtlinien einhalten. Es ist jedoch stark zu bezweifeln, dass die USA den korrekten Umgang mit den persönlichen Daten durch ihre Behörden, wie deren Auslandsgeheimdienst NSA, sicherstellen kann. Deshalb wendete sich der österreichischer Rechtswissenschaftler und Aktivist Maximilian Schrems juristisch gegen das Abkommen »des sicheren Hafens«. Er gewann den Prozess – Empörung und Engagement haben sich gelohnt.

Ist die Generation Y zu unpolitisch?

Dieses Empören, das ein politisches und gesellschaftliches Interesse umschreibt, komme bei der sogenannten Generation Y (der zwischen 20- und 30-Jährigen) zu kurz, so die Kritik von Medien, Politikern und Autoren. Diejenigen, die dieser Generation angehören, befänden sich eigentlich gerade in einem Alter, in dem politisches Interesse wachsen sollte. Sie stelle jedoch eine Generation dar, die, anstatt politisch zu diskutieren und sich zu engagieren, lieber gemütliche Häuslichkeit pflege, auf ihre »work-life-balance« achte und Marmelade einkoche.

Eine solche Generalisierung ist ungerecht. Die Organisation »Freiheit statt Angst« beispielsweise organisierte Demonstrationen gegen den Datenmissbrauch. Der Blog Netzpolitik.org klärt die Internetnutzer über Gefahren auf. Und auch Maximilian Schrems, der die Ungültikeitserklärung des Safe-Harbour-Abkommens durch den EuGH erzielte, gehört dieser Generation an.

Wie reagiert aber die Mehrheit der Internetnutzer auf Datenmissbrauchsskandale?

Wer interessiert sich schon für meine Daten?

Eine Studie aus dem Jahre 2013 untersuchte den »Einfluss der 'Snowden-Affäre' auf die Datensicherheit im Netz aus Sicht der Internet-Nutzer«. Hierbei gab der Großteil der Befragten an, zum Thema Datenschutz recht gut, gut oder sehr gut informiert zu sein (zusammen 78,3 Prozent).

Allerdings ziehen nur wenige daraus auch Konsequenzen. 57,8 Prozent der Befragten sehen das Nutzen sozialer Netzwerke als große Gefahr an, aber nur 39,3 Prozent stellen aus diesem Grund die Nutzung ein. Für den Online-Einkauf ist das ähnlich.

Laut einer weiteren Studie geben 79 Prozent der 14- bis 29-jährigen Nutzer sozialer Netzwerke ihren tatsächlichen Vor- und Nachnamen an. 64 Prozent veröffentlichen Party- und Urlaubsfotos. Zudem stieg die Nutzung beispielsweise von Facebook seit Anfang 2013 bis Anfang 2015 von 665 auf 936 Millionen tägliche Nutzer. Und das, obwohl Snowdens Enthüllungen geheimer US-Überwachungsprogramme im Sommer 2013 die »NSA-Affäre« auslösten.

Lassen diese Zahlen auf Gleichgültigkeit schließen? Überwiegt das persönliche Interesse an der Nutzung von Internetangeboten gegenüber dem Ärger über den Umgang mit persönlichen Daten?

Möglicherweise erschienen der Generation Y viele Themen wie Save-Harbour zu abstrakt und vermeintlich fern, um sie aus ihrer Gemütlichkeit herauszulocken. – Der Klimawandel ist erschreckend, aber hier noch kaum zu spüren. Atomkraftwerke sind gefährlich, aber Strom wird nun einmal benötigt. So ist auch das ungefragte Verwenden persönlicher Daten unangenehm, aber wen kümmern schon Urlaubsbilder und persönliche Mitteilungen auf Facebook? Vielleicht war die abenteuerliche Flucht Snowdens aus den USA spannender als seine Offenbarungen über die Arbeit der Geheimdienste?

Datenspeicherung ist erst der Anfang

Selbst wenn sich die NSA nicht für jede Nachricht auf Facebook interessiert, so sind mögliche Folgen des ungehinderten Sammelns dieser Daten, beispielsweise wie und wozu sie verwendet werden, nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Die Unternehmerin Yvonne Hofstetter schreibt Aufsätze und hält Vorträge über die Gefahr künstlicher Intelligenz und neuester Technologien. Die enormen Datenmassen im Internet allein seien noch keine Gefahr. Diese sieht Hofstetter vielmehr in intelligenten, selbstlernenden Maschinen, in die große Internetkonzerne bereits jetzt investieren und dadurch zukünftig Daten verarbeiten und nutzen können.

Personalisierte Einkaufslisten bei »Amazon« oder auf vorherige Suchen angepasste Suchergebnisse bei Google stützen sich automatisiert auf diese Daten. Auch Obamas Drohnen im Kampf gegen den Terrorismus funktionieren nur mit Daten über mögliche Verdächtige, die aus der Ferne zu exekutieren sind.

Roboter, Sensorik, aber auch Drohnen und Satelliten sind in der Lage, »[...] selbstständig neue Informationen wie unsere Bewegungsprofile und Alltagsgewohnheiten zusammentragen und verarbeiten. Mit noch mehr Daten lernen sie, uns noch besser zu analysieren und aktiv zu beeinflussen.« Sie seien ein »Angriff auf die Autonomie des Menschen«, so Hofstetter. Es entstehe der »gläserne Mensch«, der immer mehr in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werde, wie auch der Mathematiker und Physiker Johannes Buchmann befürchtet.

Die Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen im Denken und Handeln ist ein Gut und Privileg, das Europa auszeichnet und von vielen anderen Teilen der Erde unterscheidet. Sie ist ein Gut, für das die Menschen gekämpft haben und dessen Verlust nicht einfach hinzunehmen ist. Datenmissbrauch ist folgenschwerer als viele denken – bitte empören Sie sich!

Autor:innen

Schwerpunkt
Strafrecht

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