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EDITORIAL

Lasst mich scheitern!

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Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Keine Lust mehr. Immer das Gleiche, immer wieder das Gleiche. Noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal – kotzen!

»Mensch Benni, was ist denn los?«, fragt Iris Ott, während sie eine Krake malt. Ich sag: Iris, das geht alles gar nicht mehr. Es bringt ja auch nichts, also so gar nichts. Es ist komplett umsonst. Ich hab mich fünf Mal über die menschenfeindliche Berichterstattung des Nordkuriers aufgeregt, alles belegt, alle Quellen rausgesucht. Und was hats gebracht? Gar nichts! Die machen weiter. Jeden Tag, immer wieder. »Ausländer« gegen »Deutsche«, »Flüchtlinge alle kriminell!« Neuerdings unterstützen sie auch noch die Verschwörungstheorien von »QAnon« und in der Kommentarspalte gibts jeden Tag einen Mordaufruf, der von der Redaktion erst durch die rassistische Überschrift provoziert und danach nicht gelöscht wird. Das hat so ausgesehen:

»Alle erschießen!«
»Sofort an die Wand stellen!«
»Ab ins Schlauchboot und aufs offene Meer schicken.«
»Jeden Tag 5 cm nackt über Stacheldraht ziehen. Beteilige mich auch an die, Kosten.«

Wer hält das alles aus? Viele Menschen aus MV können nur diese eine Regionalzeitung lesen, weil es keine andere bei ihnen gibt. Das macht mich wahnsinnig! Aber mittlerweile bin ich nicht mehr der Einzige, der über das Problem »Nordkurier« berichtet. Der Deutsche Presserat hat der Zeitung eine Rüge erteilt, »Übermedien« und der NDR haben deren mangelhafte »Berichterstattung« behandelt. Hat das wenigstens was gebracht? Nein, Iris, nichts. Das »Zapp«-Team des NDR interviewte den Nordkurier-Chefredakteur und fragte, ob er denn auch eine gewisse Verantwortung für die rassistischen, zu Mord aufrufenden, menschenfeindlichen Kommentare spüre. Was antwortete der Chefredakteur des Nordkuriers? »Nein, die Kommentare verantwortet jeder selbst.« Kann man sich das vorstellen? Beim Nordkurier sprechen Nazis und welche, die es gerade werden, ganz offen darüber, wie sie Menschen töten wollen, manchmal auch mit Anspielungen auf Konzentrationslager – und der Chefredakteur sagt, dafür verspüre er keine Verantwortung? Zum Heulen!

Ich höre an dieser Stelle auf, mich darüber zu beschweren. Es bringt nichts und ich will auch nicht mehr. Ich bin hier in Vorpommern groß geworden, habe KATAPULT hier gegründet und ich bleibe auch hier. So eine verantwortungslose Zeitung mit Monopolstellung zu ertragen, tut unfassbar weh. Sie schürt Ängste und Wut, sie vertreibt normale Menschen aus der Region und sorgt dafür, dass MV einen beschissenen Ruf hat. Ich halte das nicht mehr aus und deshalb breche ich hier und jetzt die Monopolstellung des Nordkuriers! Wir gründen heute und genau an dieser Textstelle die neue Lokalzeitung KATAPULT-MV! Alles online, mit Karten, Daten, Grafiken und Fotos über MV – über Neubrandenburg, Greifswald, Rostock, Schwerin, aber auch über die Kleinen, wie Postlow, Pampow und Wusterhusen. Ohne rassistische Überschriften, ohne Menschenfeindlichkeit, dafür mit Verantwortung und mit moderierter Kommentarspalte! Das hat diese Region verdient!

Wir sammeln ab heute Abonnentinnen und Abonnenten für KATAPULT-MV. Je mehr es werden, desto mehr Kraft haben wir, desto mehr Standorte können wir aufmachen, desto mehr starke Leute stellen wir ein, die am Ende aufrichtigen Lokaljournalismus betreiben und die Standards des Deutschen Presserats einhalten. Ein Abo kostet fünf Euro pro Monat. Wer das nicht schafft, kann auch nur drei Euro zahlen. Wer das Projekt unterstützen will, wird für 15 Euro zum »Intendanten« und wird im Impressum genannt, und wer noch mehr unterstützen will, wird für 100 Euro zur »Superintendantin« mit Nennung im Impressum und dem Recht, an Redaktionssitzungen teilzunehmen. Hier gehts jetzt los: katapult-mv.de.

Wir zahlen derzeit einen Bruttolohn von 3.150 Euro. Pro Redakteur brauchen wir etwa 3.800 Euro (Arbeitgeberinnenbrutto). KATAPULT kann viel vorfinanzieren, aber so richtig solide wird die Sache erst, wenn wir mindestens fünf feste Redeakteure einstellen. Das entspricht 3.800 Abos à fünf Euro. Andersrum gerechnet: Alle 760 KATAPULT-MV-Abos stellen wir eine neue Redakteurin oder einen neuen Grafiker ein und wenn das am Ende 100 Leute werden, dann werden das am Ende 100 Leute! Keine Kompromisse! Büro, Strom, Software, Ausrüstung und Ausbildung übernimmt KATAPULT.

Ich weiß, der Lokaljournalismus ist am Ende. Ich weiß, wir haben keine Chance, aber das hatten wir mit KATAPULT auch nie. Also los. Mir ist alles egal! Lasst uns endlich scheitern!

www.katapult-mv.de

Autor:innen

Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.

Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.

Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)

Pressebilder:

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