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Rüstungsskandal

Die Pressefreiheit vor Gericht

Von und

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Sie haben Anzeige gegen das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch erstattet. Warum, und was ist aus dieser Anzeige geworden?

Fünfeinhalb Jahre nach meiner ersten Strafanzeige gegen Heckler & Koch [H&K] wegen des begründeten Verdachts des illegalen Exports Abertausender G36-Sturmgewehre in verbotene Unruheprovinzen Mexikos, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart endlich Anklage erhoben. In ihrer Anklageschrift vom 13. Oktober 2015 wirft der Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller den beiden ehemaligen H&K-Geschäftsführern Joachim Meurer und Peter Beyerle und vier vormaligen H&K-Mitarbeitern vor, Kriegswaffen » vorsätzlich « ausgeführt zu haben – wohlgemerkt ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Genehmigung. In fünf Fällen – allen außer dem von Herrn Meurer – sollen die Firmenvertreter als » Mitglied einer Bande « agiert haben. Diese habe sich » zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden «.

So weit sind wir in unseren juristischen Auseinandersetzungen gegen Heckler & Koch nie zuvor gekommen. Allerdings wurden die Strafverfahren gegen weitere Beschuldigte eingestellt, weil die Stuttgarter Staatsanwaltschaft vorgab, sie habe keinen hinreichenden Tatverdacht ermitteln können. Aufgrund der mir vorliegenden Insiderdokumente hatte ich insgesamt 15 Personen angezeigt. Gegen die Einstellungsverfügungen habe ich über meinen Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer Beschwerde eingelegt, über die von der Generalstaatsanwaltschaft noch entschieden werden muss.

Ihre Anzeige betrifft auch Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, die Kontrollbehörden für Waffenexporte. Was genau werfen Sie ihnen vor?

Uns liegen Hunderte von Schriftstücken, Filmsequenzen und Fotos mehrerer Whistleblower vor, die die Kooperation von H&K-Mitarbeitern und führenden Beamten des Bundesausfuhramtes [BAFA] und des Bundeswirtschaftsministeriums [BMWi] intensiv beleuchten und Unglaubliches zutage fördern. Rechtsanwalt Rothbauer hatte meine Strafanzeige gegen Heckler & Koch vom April 2010 im November 2012 auf weitere Beschuldigte der zuständigen Abteilungen im BAFA und im BMWi ausgeweitet. Geprüft werden sollte seitens der Stuttgarter Ermittler nunmehr auch die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Beihilfe durch Unterlassen von Exportgenehmigungsauflagen sowie Endverbleibsprüfung durch die Kontrollbehörden im Fall der G36-Gewehrlieferungen nach Mexiko.

Gegenüber dem ARD-Politikmagazin » Report Mainz « behauptete die Staatsanwaltschaft dann, dass die Frage eines Anfangsverdachts gegen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle » in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend geprüft « worden sei. Dabei hätten sich » keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbewehrtes Verhalten « ergeben. Zu Recht kritisierte mein Rechtsanwalt, dass die Staatsanwaltschaft mit allen juristischen und taktischen Kniffen spiele, um eine Erweiterung des Verfahrens zu verhindern.

Die Staatsanwaltschaft gibt also an, es bestehe kein Anfangsverdacht, der Ermittlungen gegen diese Kontrollbehörden rechtfertige. Wie stehen Sie zu dieser Einschätzung?

Die Einstellung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen Beamte der Rüstungsexport-Kontrollbehörden erfolgte trotz der umfassenden Dokumentation der Triade des Todes von Heckler & Koch, Bundesausfuhramt und Bundeswirtschaftsministerium in unserem Buch » Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden «. Die todbringenden Gewehrlieferungen nach Mexiko waren nur möglich, weil die sogenannten Kontrollbehörden aktiv mitgeholfen haben. Das ist ein Justizskandal par excellence. Warum verhalten sich die Beamten der Stuttgarter Staatsanwaltschaft derart wohlwollend gegenüber den Beamten in Eschborn und Berlin? Welche Kräfte wirken hier im Hintergrund?

Haben Sie daraufhin weitere juristische Schritte eingeleitet?

Wir haben das letzte für uns mögliche Mittel eingesetzt und Rothbauer hat Beschwerde gegen die Nichtermittlung von Behördenvertretern eingelegt. Kaum zu glauben, aber diese wurde – trotz all der vorliegenden und im Netzwerk-Buch veröffentlichten Einblicke und Beweise – abgewiesen. Damit ist die Sache für das BAFA und das BMWi verjährt, die verantwortlichen Herren können sich in Freiheit vergnügen.

Gegen Sie selbst wurde nun wiederum von der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aus welchem Grund?

Dieser Justizskandal ist kaum mehr zu toppen! Statt gegen die involvierten Vertreter der Rüstungsexportbehörden ermittelt die Staatsanwaltschaft München jetzt gegen uns drei Autoren wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen gemäß § 353d Strafgesetzbuch. Wir hätten, so der Vorwurf, wissentlich aus den Gerichtsakten zitiert – dabei kennen wir diese gar nicht.

De facto ist es genau umgekehrt: Daniel Harrich hatte der Staatsanwaltschaft in unserem Namen zahlreiche Dokumente über die Machenschaften von Heckler & Koch, BAFA und BMWi zur Verfügung gestellt. Offenbar konnte auf deren Basis die staatsanwaltschaftliche Klageschrift gegen Heckler & Koch verfasst werden. Doch statt eines Dankeschöns wird nunmehr seitens der Staatsanwaltschaft München gegen uns drei Autoren des Netzwerk-Buches – Daniel Harrich, Danuta Harrich-Zandberg und mich – ermittelt.

Welche Folgen könnte das Münchener Ermittlungsverfahren gegen das Autorenteam haben?

Man stelle sich vor, wir drei Autoren würden zu einer Geld- oder Haftstrafe verurteilt, was gemäß § 353d StGB möglich ist. In diesem Fall müssten sich alle Journalisten in Deutschland gut überlegen, welche Informationen über möglicherweise illegale Taten sie dann noch an eine Staatsanwaltschaft weitergeben. Vor allem dann, wenn sie auf der Basis der ihnen vorliegenden Dokumente über den Fall berichten wollen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Vertreter des Rechtsstaates in Deutschland Journalisten derart einschüchtern wollen. Mit uns wird die Pressefreiheit vor Gericht stehen.

Gab es auch positive Reaktionen von staatlichen Behörden auf die Enthüllungen in der Dokumentation und in Ihrem Buch » Netzwerk des Todes «?

Positive Reaktionen gab es erfreulicherweise zahlreich. Wenn auch nicht von staatlichen Ermittlungsbehörden, von der Anklageerhebung gegen die H&K-Mitarbeiter einmal abgesehen. Bereits im April dieses Jahres nahm Daniel Harrich auch für sein Team – zu dem mein Rechtsanwalt Rothbauer und ich als Strafanzeigeerstatter und Fachberater des Spielfilms » Meister des Todes « gehören – in Marl den renommierten Grimme-Preis 2016 entgegen. Geehrt wurden wir » für die journalistische Leistung bei der Recherche «. Am 10. Dezember werde ich mit dem Stuttgarter Friedenspreis geehrt – hoffentlich in Freiheit.

Ermutigend sind auch die zahlreichen Solidaritätserklärungen, die uns zurzeit erreichen. Bundesweit berichten die Medien sehr aufmerksam und vielfach äußerst kritisch über das Vorgehen der Stuttgarter und Münchener Staatsanwälte.

Was sind Ihre nächsten Schritte im Kampf gegen deutsche Rüstungsexporte, vor allem bezüglich des Unternehmens Heckler & Koch und möglicherweise involvierte Mitarbeiter des BMWi und des BAFA?

Seitens der Kampagne » Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! «, mit mehr als hundert Mitgliedsorganisationen das breiteste zivilgesellschafte Bündnis gegen Rüstungsexporte, wenden wir uns gezielt gegen den Export von Kleinwaffen. So harmlos der Name klingt: Mit Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm-, Scharfschützen- und Maschinengewehren werden rund drei Viertel der Opfer in Krisen- und Kriegsgebieten getötet. Deutschland ist der drittgrößte Kleinwaffenexporteur weltweit. Wir sammeln derzeit bundesweit Unterschriften gegen den Export von Kleinwaffen und Munition, die wir dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages übergeben werden.

Das Interview führte Ella Daum

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Autor:innen

Schwerpunkt
Strafrecht

ist Bundessprecher und Vorstandsmitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und Sprecher weiterer rüstungskritischer Initiativen. Er engagiert sich gegen den Export von Waffen und hat einige Waffenexportskandale aufgedeckt. Zuletzt war er an der ARD-Dokumentation "Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam" (2015) beteiligt, die Waffenlieferungen nach Mexiko nachwies, obwohl einzelne mexikanische Bundesstaaten vom Auswärtigen Amt als kritisch eingestuft wurden.

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