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UN-Entwicklungsziele

2030 - das Ende der Armut

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Kürzlich kamen Vertreter aller UN-Mitgliedsstaaten in New York zusammen, um die Umsetzung der bisher verfolgten Ziele, die sogenannten Millenniumsziele, auszuwerten und neue, die jetzt Nachhaltigkeitsziele heißen, zu definieren.

Auf dieser Vollversammlung wurde festgestellt, dass es mithilfe der Millenniumsziele geschafft wurde, die Welt zu mobilisieren und das globale Leid zu verringern. So konnte die extreme Armut weltweit halbiert werden. Das ist jedoch das einzige Ziel, das verwirklicht wurde.

Eine wesentliche Eindämmung von HIV/Aids wurde nicht erreicht. Ebenso wurde das Ziel, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu senken, weit verfehlt; ähnlich sieht es mit der Gleichstellung von Frau und Mann aus. Zwar hat sich die Müttersterblichkeit seit 1990 halbiert, aber auch die Zielvorgabe, sie komplett zu beseitigen, wurde nicht erreicht: In den Entwicklungsländern sterben jährlich immer noch über 500.000 Frauen während der Schwangerschaft oder Geburt. Hinzu kommt, dass nur fünf der 19 größten Geberländer den ursprünglich festgesetzten Mindestaufwand von 0,7 Prozent ihres nationalen Bruttoeinkommens für die Entwicklungshilfe ausgaben, obwohl das eine der Vorgaben war.

Dennoch sind Hilfsorganisationen wie »WaterAid« zuversichtlich, dass die weltweite Armut in den nächsten 15 Jahren beendet werden kann und dass die neuen Pläne dabei helfen werden.

Fitte Skandinavier

Die acht Ziele, die von 2000 bis 2015 im Fokus standen, wurden umbenannt, ergänzt und unterteilt: Aus den Millenniumsentwicklungszielen (Millennium Development Goals) wurden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals), die bis 2030 im Mittelpunkt der weltweiten Politik stehen sollen.

Die Nachhaltigkeitsziele beziehen sich, anders als die Millenniumsziele, nicht mehr nur auf die Entwicklungsländer, sondern auf alle Staaten. Das bedeutet, dass nun auch die wohlhabenden Staaten darauf hinarbeiten müssen, die Ungleichheiten auch in ihrem Land zu beseitigen, die Umwelt besser zu schützen und die innere Sicherheit zu verbessern. Darüber hinaus sollen die Ausgaben für innovative Forschung erhöht werden.

Eine Studie hat die neuen Ziele für 2030 geprüft: Um herauszufinden, welches Industrieland in der Lage ist, die 17 Ziele mit den insgesamt 169 Unterzielen zu erreichen, wurde ein Stresstest entwickelt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Keines der 34 aufgelisteten Länder wird als »fit« genug eingestuft, die Pläne umzusetzen.

Lediglich die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark sowie die Schweiz werden als relativ fit eingeschätzt. In der Studie belegen sie die ersten fünf Plätze. Deutschland nimmt den sechsten Rang ein. Trotz allem schneiden auch diese Länder nicht bei allen Zielen gut ab, sondern weisen teilweise sogar erhebliche Defizite auf.

Einige Vorgaben, wie der Zugang zu aufbereitetem Wasser, die Erhöhung der Beschäftigungsquote, nachhaltiger Klimaschutz oder die Senkung der Kriminalitätsrate, wurden von diesen Ländern schon erreicht. Wogegen das Vorhaben, das Konsum- der Produktionsverhalten zu ändern, noch lange nicht durchgesetzt ist. Auch Deutschland liegt noch weit hinter den Vorgaben für die Reduzierung der Müllproduktion zurück. So werden jährlich in Deutschland pro Kopf 614 Kilogramm Müll erzeugt. Das ist doppelt so viel wie die Produktion in Japan.

Strategien kopieren

Die Bewältigung der Zielvorgaben insgesamt ist jedoch unterschiedlich mühsam. So befinden sich die skandinavischen Länder in einer besseren Ausgangsposition als viele andere Staaten. Für sie ist es im Vergleich zu beispielsweise Luxemburg (Platz 17) oder Großbritannien (Platz 15) leichter, die Vorgaben bis 2030 zu erreichen. Das liegt unter anderem daran, dass die skandinavischen Länder viel in die Bildung ihrer Jugend investieren und dass die allgemeine Lebenszufriedenheit dort sehr hoch ist.

Insgesamt zeigt die Studie, dass die Aussichten aller untersuchten Länder, die Vorgaben innerhalb der nächsten 15 Jahre umzusetzen, unterschiedlich gut sind. Dennoch sind die skandinavischen Länder bereits so »fit«, dass sie in einigen Bereichen in der Lage sind, mit ihren Maßnahmen die anderen Länder zu motivieren. So ist es Schweden gelungen, seine ohnehin sehr niedrigen Treibhausgasemissionen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, seit 2006 um ein Drittel, nämlich auf 35 Prozent, zu senken.

Dieser Erfolg war in Schweden deshalb möglich, weil die Politik konkrete Maßnahmen wie die CO2-Steuer auf die Nutzung von Öl, Erdgas, Benzin und Kerosin einführte. Eine relativ einfache Maßnahme, die von den anderen Ländern übernommen werden und dazu führen könnte, dass auch deren Treibhausgasemissionen zurückgehen.

Fehlende Entschlossenheit

Dennoch zeigt sich deutlich, dass die Industriestaaten – außer die skandinavischen Länder – momentan keine Vorbilder für die Entwicklungsländer sind. Die vermögenderen Staaten haben eigene innere Probleme, die sie zunächst lösen müssten. So klafft hier beispielsweise die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, was zur Folge hat, dass die soziale Ungleichheit wächst. Aus diesem Grund ist die Beseitigung dieser Benachteiligung eines der neuen Nachhaltigkeitsziele.

Darüber hinaus sind die Industriestaaten auch gefordert, mehr in die Entwicklungshilfe zu investieren. Sie müssen dafür sorgen, dass es auch den ärmeren Ländern möglich ist, einen Teil der nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Dazu ist es nötig, dass das bisher bestehende Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern verringert wird.

Hinzu kommt, dass die Industrieländer in der Umsetzung der Vorhaben nicht konsequent genug sind. Dadurch, dass die Nachhaltigkeitsziele unsere bisherige Lebensweise infrage stellen – wie wir leben, was wir konsumieren und wie wir mit unserer Umwelt umgehen –, ist es unwahrscheinlich, dass die Industrienationen beziehungsweise -lobbys alle Vorgaben auch tatsächlich erreichen wollen. Sich wirklich mit den Zielen auseinanderzusetzen, bedeutet auch, mit dem politischen Scheitern konfrontiert zu werden. Wenn die reicheren Länder in den letzten Jahren nicht dazu bereit waren, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe aufzuwenden, werden sie auch zukünftig nicht genügend Geld in die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele investieren.

Es fehlt den Industrieländern an Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung der Ziele. Sanktionen bei Nicht-Erfüllung gibt es nicht. Diese wären allerdings auch wenig sinnvoll, finanzielle Strafen kontraproduktiv. Die Realisierung der Ziele wird schwierig: Die einzelnen Regierungen müssten einsehen, dass es notwendig ist, die eigenen Machtansprüche den Entwicklungszielen unterzuordnen. Neben den bloßen finanziellen Investitionen wäre also vor allem eine engere Zusammenarbeit aller Länder wichtig.

Autor:innen

Ehemalig bei KATAPULT.

Schwerpunkt
DDR-Geschichte

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