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Corona

Jugend ohne Arbeit

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Die Coronakrise trifft junge Menschen besonders hart. Sie arbeiten häufig in Jobs, die gerade aufgrund des Virus verschwinden: In der Tourismusbranche, im Verkauf, im Gastgewerbe. Es sind vor allem solche Tätigkeiten, die nicht von zu Hause erledigt werden können. Universitätsabsolventinnen finden seltener einen Job, weil aktuell viele Unternehmen kein zusätzliches Personal benötigen. Wer sich auf Arbeitssuche befindet, schraubt die Erwartungen herunter, nimmt eher unterbezahlte Stellen an an oder solche, für die Bewerberin oder Bewerber überqualifiziert sind.

Die Jugendarbeitslosenquote berechnet sich so: Der Anteil der Jugendlichen ohne Arbeitsstelle an der Gesamtheit aller Jugendlichen - abzüglich derer, die sich gerade in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befinden oder aus anderen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die über 40 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen in Spanien sind beispielsweise an dieser Zahl bemessen und nicht an allen Jugendlichen in Spanien. „Es sind eben 40,4% derjenigen Jugendlichen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das kann, je nach Land, eine sehr kleine Gruppe sein,“ erklärt Dr. Sebastian E. Wenz, Wissenschaftler am GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Als Jugendlich gilt gemäß der Vereinten Nationen, wer zwischen 15 und 24 Jahre alt ist.

Vor Corona lag die Jugendarbeitslosenquote europaweit durchschnittlich bei 14,9 Prozent. Es ist erst sieben Jahre her, da war sie mit fast 25 Prozent auf ihrem Höchststand. Im Frühling diesen Jahres stieg die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen europaweit wieder an und erreichte im Sommer 17,6 Prozent. Im Vergleich dazu: Die allgemeine Arbeitslosigkeit in Europa lag im Juli 2020 bei 7,9 Prozent. Auch vor Ausbruch der Pandemie waren Jugendliche öfter arbeitslos als Erwachsene. Aber die Krise verstärkte diesen Unterschied.

In Griechenland ist die Jugendarbeitslosenquote bei 40 Prozent

Länder, die es in Europa besonders hart trifft: Spanien und Griechenland. Die Jugendarbeitslosigkeit lag dort schon vor Corona bei über 30 Prozent. Aber auch in Ländern mit niedrigerer Jugendarbeitslosenquote stiegen die Kurven rapide an. Ein Beispiel ist Tschechien: Vor Ausbruch der Pandemie verzeichnete es die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Jetzt sind dort zwar immer noch prozentual die wenigsten Jungen arbeitslos, seit Beginn des Jahres hat sich der Wert allerdings auch hier fast verdoppelt.

Auch weltweit sieht die Situation nicht besser aus: Mindestens jeder sechste junge Mensch hat seinen Job aufgrund von Corona verloren. Und es fehlt nicht nur die Arbeit, häufig musste Junge auch ihre Aus- oder Weiterbildungen unterbrechen. Weltweit waren 13,6 Prozent der Jungen arbeitslos. Auch diese Zahl liegt weit über der allgemeinen Arbeitslosenquote.

Jugendarbeitslosigkeit hat langfristige Auswirkungen

Junge Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, finden schwieriger einen Job, sind öfter in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt und arbeiten öfter in Teilzeit. Wer in jungen Jahren arbeitslos ist, sieht pessimistischer in die Zukunft und wohnt länger bei den Eltern. Jugendliche ohne Erwerbstätigkeit starten damit viel später ins selbstständige Leben als Junge mit Arbeit. Junge Arbeitslose sind auch im späteren Leben eher gefährdet, ihren Job zu verlieren. Englische Forscher fanden heraus, dass eine einmonatige Arbeitslosigkeit bei 18- bis 20-Jährigen für einen dauerhaften Einkommensverlust von zwei Prozent sorgen würde. In anderen Lebensabschnitten wirke sich eine zeitweise Arbeitslosigkeit weniger einschneidend aus. Unter all diesen Faktoren leiden aber nicht nur die Jungen, sondern langfristig auch der Staat und die Gesellschaft. Bei hoher Arbeitslosigkeit steigen die Kriminalitätszahlen, die politische Instabilität und damit die Kosten, diesen entgegenzuwirken. Dem Staat gehen Steuereinnahmen verloren, wohingegen die Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung steigen.

Hinweis: In einer vorherigen Version des Textes war die Jugendarbeitslosenquote missverständlich definiert. Das haben wir geändert.

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Fußnoten

  1. Alderman, Liz; Abdul, Geneva: Young and Jobless in Europe, “It’s been desperate”, auf: nytimes.com (29.10.2020).
  2. European Parliament (Hg.): Youth unemployment, the EU measures to make it work, auf: europaparl.europa.eu (12.10.2020).
  3. Eurostat (Hg.): Arbeitslosenquote im Europraum bei 7,9 Prozent, auf: ec.europa.eu (1.9.2020).
  4. OECD (Hg.): Unemployment Rates, OECD - Updated: September 2020, auf: oecd.org (ohne Datum).
  5. Kahn, Michael: Coronavirus “Class of 2020”, Europe’s lost generation?, auf: uk.reuters.com (9.7.2020) .
  6. International Labour Organisation (Hg.): More than one in six people out of work due to COVID-19, auf: ilo.org (27.5.2020).
  7. European Commission (Hg.): Youth employment, auf: ec.europa.eu (ohne Datum).
  8. Wolff, Guntram: Europe can’t afford to lose another generation to youth employment, auf: theguardian.com (11.11.2020).
  9. De Fraja, Gianni; Lemos, Sara; Rockey, James: The Wounds That Do Not Heal, The Life-time Scar of Youth Unemployment, In: Centre for Economic Policy Research (2017).
  10. Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Folgen von Arbeitslosigkeit, auf: bpb.de (24.2.2020).

Autor:innen

Ehemalige Redakteurin bei KATAPULT. Hat Journalismus und Kommunikation in Wien und Amsterdam studiert. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik und feministische Themen. Macht auch Podcasts.

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