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Olympische Spiele

Was sind Traditionen wert?

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Die Winterspiele 2014 im russischen Sotschi sprengten alles bisher Dagewesene. Allein diese Spiele verschlangen etwa 40 Milliarden Euro – zusammengerechnet mehr als die 21 vorangegangenen Winterspiele zusammen. So hat unter anderem die knapp 50 Kilometer lange Eisenbahnstrecke, die die Wettkampforte miteinander verband, mehr gekostet als die gesamten Winterspiele im kanadischen Vancouver 2010.

Mit rund 25 Milliarden Euro wurden die Spiele von Sotschi vorrangig durch Staatsunternehmen wie die Eisenbahngesellschaft, das Bauunternehmen »Olimpstroj«oder aus dem Staatsbudget finanziert. Dazu kamen etliche staatlich finanzierte Unternehmen, Privatinvestoren und durch die »Wneschekonombank« vergebene Kredite.

Der erste Schritt zur Ausrichtung der Olympischen Spiele ist eine Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Die meisten potenziellen Austragungsorte investieren dafür einen zweistelligen Millionenbetrag, den sie verlieren, wenn sich das IOC für einen anderen Standort entscheidet.

Im Falle einer Entscheidung des IOC für einen Austragungsort fallen weitere Kosten an, beispielsweise für den Bau der Sportanlagen, die Organisation der Wettkämpfe, die Eröffnungs- und Schlussfeier, die Unterkünfte der Sportler und Betreuer sowie für die Infrastruktur. Infrastrukturmaßnahmen sind oft einer der größten Kostenfaktoren. So werden für die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro 8,2 der insgesamt 12,9 Milliarden Euro für den Ausbau der Infrastruktur veranschlagt.

Alles umsonst?

Ein vorher ausgearbeitetes Konzept für die Zeit nach den Olympischen Spielen geht in den seltensten Fällen auf. Viele der extra errichteten Sportanlagen sind nach dem Ende der 16-tägigen Wettkämpfe kaum noch zu verwenden. Vorrangig aus Kostengründen kommt es zur Stilllegung dieser Anlagen oder sogar zum Rückbau. Für den Rück- und Umbau der Sportstätten benötigte London 2012 beispielsweise weitere 96 Millionen Euro.

In fast allen Fällen gingen die Austragungsorte mit einem großen Minus aus den Olympischen Spielen. Gewinn können dabei wenn überhaupt nur das IOC, die involvierten Großkonzerne, Immobilienfirmen und die Banken erzielen. Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2012 zeigt, dass es in den letzten 50 Jahren keine Austragung gab, bei denen es nicht zu einer Budgetüberschreitung kam. Im Durschnitt lagen die Kosten am Ende um 179 Prozent höher als angenommen. Die Winterspiele 2014 in Sotschi lagen rund 419 Prozent über ihrem veranschlagten Etat.

Experten rechnen damit, dass, falls die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg stattfinden, die dafür kalkulierten Mittel ebenfalls nicht ausreichen werden. Bisher sind für den Bau der Sportstätten und anderer notwendiger Einrichtungen rund 6,5 Milliarden Euro eingeplant. Hinzu kommen weitere 7 Milliarden Euro, um die bisher ansässigen Unternehmen vom auserwählten Standort der Olympischen Spiele umzusiedeln. Die Aufwendungen für die Erschließung des Austragungsortes belaufen sich schätzungsweise auf noch einmal 2,5 Milliarden Euro.

Vision des 20. Jahrhunderts

Einst war Griechenland ständiger Austragungsort der antiken Festspiele in Olympia. Die ersten Aufzeichnungen zu den Olympischen Spielen stammen aus dem Jahr
776 v. Chr., wobei ihr Ursprung auf die »Leichenspiele von Elis« zurückgeht. Eine Teilnahme an den bis zu fünf Tage dauernden Wettkämpfen war nur unbekleideten, männlichen Athleten gestattet. Im Jahr 393 n. Chr. erreichte Kaiser Theodosius ein Verbot dieser Turniere.

1.500 Jahre später wurde der Gedanke der Olympischen Spiele neu entfacht. Initiator dieses Unternehmens war der Franzose Pierre de Coubertin, der durch die Gründung des IOC 1894 den Grundstein für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit legte. Als erster Austragungsort für die im April 1896 stattfindenden Spiele wurde Athen gewählt. Es nahmen 265 Athleten aus zwölf Nationen daran teil.

Wegen der steigenden Beliebtheit der Wintersportarten beschloss das IOC die Einführung der Winterspiele, die von de Coubertin eigentlich nicht vorgesehen waren. Daraufhin fanden sie erstmalig 1924 im französischen Chamonix statt. Dabei traten erstmalig 16 Nationen in fünf verschiedenen Sportarten gegeneinander an.

Olympia als Werbeveranstaltung

Frauen nahmen erstmalig an den Sommerspielen 1900 in Paris teil. Sie traten in Oberschichtensportarten wie Golf oder Tennis und »gemischten« Wettbewerben wie Segeln an. Eine der ersten Olympiasiegerinnen war die Schweizerin Helen de Pourtalès.

Anlässlich der Spiele 1984 in Los Angeles wurde es erstmals Profisportlern erlaubt, teilzunehmen. Das war bis dahin nur Amateuren gestattet. In Sportarten wie Fußball und Boxen gelten jedoch nach wie vor besondere Bestimmungen für Profisportler. Der in der Antike vorherrschende religiöse Hintergrund besteht bei den Spielen der Neuzeit nicht mehr. Auch die Dauer wurde mit der steigenden Zahl an Sportarten und Teilnehmern von fünf auf durchschnittlich 16 Tage angehoben.

Aufgrund der hohen Teilnehmer- und Zuschauerzahlen sowie der Vielfalt der Sportarten und der immer moderner werdenden Ausstattung ist die Austragung der Olympischen Spiele für das Gastgeberland eine einmalige Chance, sich zu präsentieren. Dabei ist der Werbeeffekt und das damit verbundene gesteigerte Ansehen mit fast keinem anderem Event gleichzusetzen.

Hinter den neuzeitlichen Spielen steckt aber nach wie vor die Idee der Verbindung aller Erdteile, bei der Sportler aus aller Welt ungeachtet aller religiösen und politischen Unterschiede zusammenkommen. Trotz der enormen Kosten ist das Aufrechterhalten dieser Idee als Zeichen der Völkerverständigung sehr wertvoll, sodass die Faszination der Spiele nachzuvollziehen ist und durch die finanzielle Belastung nur unwesentlich beeinträchtigt wird.

Autor:innen

Ehemalig bei KATAPULT.

Schwerpunkte
Mediävistik und Frühe Neuzeit

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