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Asylrecht: Teil I

Unabschaffbar

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Asylrecht: Teil II. Zweiklassenrecht – über die Rechte der Flüchtlinge

Nach Gesetzesverschärfungen wird in politischen Krisen immer laut gerufen, um schnelle Lösungen zu finden. Gerade AFD- und CSU-Politiker fordern seit längerem eine Verschärfung des Asylrechts im Grundgesetz. Das Asylrecht findet seine Grundlage jedoch nicht allein im Grundgesetz. Es kennt vier relevante Schutzstatus:

1. den Flüchtlingsstatus
2. die Asylberechtigung
3. den subsidiären Schutz und
4. das Abschiebungsverbot

Die ersten beiden und die letzten beiden Status haben jeweils das gleiche Schutzniveau. Der Flüchtlingsstatus sowie die Asylberechtigung geben jeweils ein Aufenthaltsrecht für drei Jahre und anschließend eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, wenn die Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Der subsidiäre Schutz und das Abschiebungsverbot geben zunächst nur ein Aufenthaltsrecht für ein Jahr, das jedoch immer wieder jeweils um zwei Jahre verlängert werden kann. Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis kann hingegen unter bestimmten Bedingungen frühstens nach sieben Jahren erlangt werden. Bei einer Antragstellung auf Asyl werden alle diese Status nacheinander geprüft.

1. Flüchtlingsstatus

Die Anerkennung als Flüchtling auf der völkerrechtlichen Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention ist im Moment der am häufigsten zuerkannte Status. Bis November 2015 sind für das laufende Jahr 38,9 Prozent der Asylbewerber als Flüchtling anerkannt worden, wobei dies meistens syrische Flüchtlinge betrifft.

Völkerrechtliche Verträge gelten in der Regel nicht direkt im deutschen Recht. Sie können ihre Wirkung hier nur entfalten, wenn sie über ein Gesetz in das nationale Recht überführt werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde auf diese Weise durch das Asylgesetz (§ 3 Abs. 1 AsylG) in das deutsche Recht überführt.

Nach der Konvention wird ein Ausländer als Flüchtling anerkannt, wenn er wegen seiner »Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe« verfolgt wird.

Willkürliche Verfolgung ist damit nicht erfasst, sondern nur Verfolgung aufgrund der genannten Merkmale. Auch kann niemand einen Flüchtlingsstatus aufgrund allgemeiner Zustände im Heimatland erlangen - wie zum Beispiel Unruhen, Revolutionen oder Kriege. Vor Krieg im Heimatland zu fliehen, reicht für eine Einstufung als Flüchtling nach der Konvention allein nicht aus.

2. Asylberechtigt nach dem Grundgesetz

Nach dem Grundgesetz (Artikel 16a) sind seit dem Asylkompromiss von 19938 nur noch politisch Verfolgte asylberechtigt. Es ist also deutlich weniger weitreichend definiert als die Flüchtlingskonvention. Es besteht zudem nur ein Recht auf Asyl, wenn Ausländer nicht über ein Land der EU oder einen anderen sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen. Dementsprechend gering ist heute die praktische Bedeutung des Artikels 16a im Grundgesetz. Die Anerkennungsquote der Asylberechtigten für den Zeitraum Januar bis Oktober 2015 beträgt gerade einmal 0,8 Prozent und lag auch in den letzten zehn Jahren konstant unter zwei Prozent.

Das Recht auf Asyl erfasst nur die Verfolgung aufgrund der politischen Überzeugung, die bereits durch die Flüchtlingskonvention geschützt ist. Wenn eine Asylberechtigung nach dem Grundgesetz anerkannt wird, liegt immer auch eine Flüchtlingseigenschaft vor. Der Artikel ist damit überflüssig geworden - eine Abschaffung des Artikels auch.

3. Subsidiär Schutzberechtigte

Der subsidiäre Schutz erfasst im Gegensatz zum Flüchtlingsstatus auch willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts - und damit auch Kriegsflüchtlinge. Zudem besteht subsidiärer Schutz, wenn dem Betroffenen die Todesstrafe im Heimatland, Folter oder eine andere unmenschliche erniedrigende Behandlung droht.

Dabei ist die Schwere der drohenden Menschenrechtsverletzungen nicht entscheidend für die Einordnung als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter. Vielmehr ist das Vorhandensein einer Verfolgungsabsicht ausschlaggebend. Es ist also nicht wichtig, wie gefährlich es für einen Flüchtling in seinem Heimatland ist, sondern, ob andere Menschen die Absicht haben, ihn aus bestimmten Gründen zu verfolgen.

4. Abschiebungsverbot

Soweit kein Schutz nach den ersten drei Bereichen des Asylrechts anerkannt wird, kann danach ein Abschiebungsverbot infrage kommen. Dabei gibt es zielstaatsbezogene und inlandsbezogene Abschiebungsverbote. In der Praxis wird Letzteres oft gewährt, wenn der Betroffene seinen Ehepartner und seine Kinder in Deutschland hat, eine Abschiebung also sein Recht auf Privat- und Familienleben verletzten würde.

Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann hingegen eine lebensbedrohliche Erkrankung des Betroffenen sein, die im Heimatland nicht hinreichend behandelt werden kann. Auch zum Schutz von unbegleiteten Minderjährigen besteht in der Regel ein Abschiebungsverbot, wenn diese bei einer Abschiebung keine familiäre oder sonstige Betreuung in ihrem Herkunftsland zu erwarten haben.

Warum das Grundgesetz bedeutungslos ist

Selbst wenn durch eine Verfassungsänderung der Artikel 16a im Grundgesetz abgeschafft wird, hätte das für den Schutz von Flüchtlingen in Deutschland keine Folgen. Die Genfer Flüchtlingskonvention gibt zwar kein Recht auf Asyl, begründet aber den Grundsatz der »Nichtzurückweisung«. Das bedeutet, dass niemand zurückgewiesen werden darf, der nach der Konvention schutzwürdig ist. Das ist faktisch nichts anderes als ein Recht auf Asyl. Deutschland ist seit 1954 völkerrechtlich an die Konvention gebunden. Auch der subsidiäre Schutz beruht auf der Umsetzung einer europarechtlichen Regelung und damit auf Völkerrecht.

Asylrecht lässt sich auf nationaler Ebene nicht abschaffen.

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Schwerpunkte
Asylrecht
Europarecht
Rechtsvergleichung

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