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Änderung der Parteienfinanzierung

Die neue Ungleichbehandlung

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Das politische Konzept der NPD »missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar« . Das stellte das Bundesverfassungsgericht im letzten NPD-Verbotsverfahren Anfang 2017 fest. Verboten werden konnte sie trotzdem nicht.

Dafür müsste die NPD nämlich verfassungswidrig sein. Nach dem Grundgesetz sind diejenigen Parteien verfassungswidrig, »die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden«.

Solche Ziele verfolge zwar auch die NPD, so das Bundesverfassungsgericht, es legt den Gesetzeswortlaut »darauf ausgehen« aber so aus, dass zumindest die Möglichkeit bestehen muss, ihre Ziele tatsächlich auch erreichen zu können. Der NPD fehle es dafür aber an Gewicht und politischem Einfluss. Sie ist deshalb zwar verfassungsfeindlich, aber nicht verfassungswidrig.



Neues Gesetz kommt Parteiverbot gleich

Obwohl die NPD nicht verboten wurde, ist das Urteil folgenschwer. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD wird von »oberster Stelle« bestätigt. Diese Einschätzung erleichtert nicht nur die politische Diskussion, sondern führte auch dazu, dass ein Gesetz beschlossen wurde, durch das solche verfassungsfeindlichen Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können. Bis jetzt war das nur bei verbotenen Parteien möglich. Für die Umsetzung mussten unter anderem das Grundgesetz und das Parteiengesetz geändert werden.

Widerstand gegen das neue Gesetz gab es im Bundestag von der Linken und den Grünen. Sie sehen in ihm einen Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien

Widerstand im Bundestag gab es von der Linken und den Grünen. Sie sehen in dem Gesetz einen Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien, die ebenfalls im Grundgesetz verankert ist: Jede Partei muss die Möglichkeit haben, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen, unabhängig von ihrer Größe oder dem Vermögen ihrer Mitglieder. Außerdem dürfe es keine »Lex NPD« geben, also ein Gesetz, dass de facto nur für die NPD gilt. Das wäre ein sogenanntes Einzelfallgesetz, das grundsätzlich verboten ist, wenn es ein Grundrecht einschränkt.

Es wäre aber möglich, dass das Gesetz zunächst nur die NPD betrifft, später aber auch auf andere Parteien angewendet wird. Infrage kämen beispielsweise die Parteien Pro NRW und Pro Deutschland, die zwar als rechtsradikal eingestuft werden, aber trotzdem staatliche Mittel erhalten, da sie nicht verfassungswidrig sind. Um ihnen die staatliche Finanzierung zu entziehen, muss der Bundesrat, der Bundestag oder die Bundesregierung dann einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen, das darüber entscheidet, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist oder nicht.


Weil das Verfahren einer Finanzierungsuntersagung also ähnlich aufwendig wäre wie ein Verbot, halten andere Kritiker das Gesetz für reinen Aktionismus, um nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Handlungsfähigkeit zu suggerieren.

Nur die allerdümmsten Kälber finanzieren ihre Metzger selber

Die Hälfte der Einnahmen der NPD kommt vom Staat
Tatsächlich kann das neue Gesetz den Widerspruch aufheben, der darin besteht, dass eine Partei trotz ihrer Verfassungsfeindlichkeit staatliche Unterstützung erhält. Der Parteienrechtsexperte Martin Morlock drückt es so aus: »Nur die allerdümmsten Kälber finanzieren ihre Metzger selber.«

Anspruch auf staatliche Mittel haben nämlich alle Parteien, die bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer Landtagswahl ein Prozent der gültigen Stimmen erhalten haben. Solange eine Partei nicht verboten war, spielten ihre Ziele keine Rolle.

Weil das Gesetz eine Möglichkeit bieten kann, die NPD indirekt auszuschalten, sind die hohen Hürden einer Finanzierungsuntersagung (Antrag beim Bundesverfassungsgericht) gerechtfertigt und sinnvoll. Denn gerade für »bedeutungslose« Parteien wie die NPD kommt das Ende der staatlichen Finanzierung einem Verbot gleich: Staatliche Mittel machten beispielsweise 2014 insgesamt 46,6 Prozent ihrer Einnahmen aus.

Sogar mit staatlichen Mitteln hatte die NPD 2014 ein Defizit von rund 350.000 Euro

Laut letztem Rechenschaftsbericht erhielt die NPD in jenem Jahr vom Staat 1,41 Millionen Euro. Die restlichen Einnahmen, wie aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen, betrugen 1,62 Millionen Euro. Ihre Ausgaben beliefen sich auf 3,38 Millionen Euro, davon 1,24 Millionen Euro für den Wahlkampf. Sogar mit staatlichen Mitteln hatte die NPD 2014 ein Defizit von rund 350.000 Euro.

Es gibt jetzt drei Arten von Parteien
Die NPD spricht sich dafür aus, die staatliche Parteienfinanzierung generell für alle Parteien abzuschaffen. Allerdings wäre sie dann nahezu handlungsunfähig. Auch 2016 bekam die NPD noch 1,13 Millionen Euro an staatlichen Mitteln, wie aus den Festsetzungen des Bundestages hervorgeht.

Tatsächlich soll gerade diese Handlungsunfähigkeit durch den Grundsatz der parteilichen Chancengleichheit verhindert werden. Die staatliche Parteienfinanzierung garantiert dieses Recht, das grundsätzlich auch der NPD zustehen müsste, schließlich ist sie nicht verboten.

Entweder ist eine Partei erlaubt und gegenüber anderen Parteien gleich zu behandeln, oder sie ist verfassungswidrig und wird vom Bundesverfassungs-





gericht verboten

So argumentieren auch die Grünen-Politikerinnen Britta Haßelmann und Renate Künast: Entweder ist eine Partei erlaubt und gegenüber anderen Parteien gleich zu behandeln, oder sie ist verfassungswidrig und wird vom Bundesverfassungsgericht verboten.

Diese Zweiteilung besteht nun jedoch nicht mehr. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es vielmehr drei »Sorten« von Parteien: verfassungsmäßige, verfassungswidrige und - als Neuheit - verfassungsfeindliche Parteien.

Diese verfassungsfeindlichen Parteien haben eine Zwischenstellung inne, die das neue Gesetz berücksichtigt. Zwar sind sie nicht illegal und können nicht verboten werden. Andererseits verdienen Parteien, die die wichtigsten Grundsätze der Verfassung ablehnen, auch nicht die gleichen Chancen wie andere Parteien. Sie können weiterhin zur Wahl antreten, mit ihren eigenen Mitteln Wahlkampf betreiben oder Veranstaltungen organisieren. Sie werden nicht gezwungen, im Untergrund weiterzuarbeiten, und sind so auch besser kontrollierbar. Der Staat muss aber diejenigen, die ihn bekämpfen, nicht finanziell unterstützen.


Dieser Beitrag erschien in der siebten Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr.


Richtigstellung zur gedruckten Fassung: In der letzten Grafik »Staatliche Parteienfinanzierung 2016« wurde in der gedruckten Fassung (S. 87) fälschlicherweise der Bezugszeitraum 2015 angegeben. Außerdem wurden in der selben Grafik jeweils der zweite und der dritte Balken vertauscht. Beide Fehler sind in der hier veröffentlichten Grafik verbessert.

[1] Bundesverfassungsgericht (Hrsg.): Kein Verbot der NPD wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele, Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 17.1.2017, auf: bundesverfassungsgericht.de.
[2] Art. 21, Abs. 2 GG.
[3] Vgl. Künast, Renate: Parteienfinanzierung. Bundestagsrede am 22.06.2017, auf: gruene-bundestag.de.
[4] Vgl. Art. 19, Abs. 1 GG.
[5] Vgl. Steffen, Tilman: Parteienfinanzierung. Bundestag verabschiedet »Lex NPD«, auf: zeit.de (22.6.2017); zum Antrag vgl. Bundesrat: Antrag aller Länder. Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung, BR-Drucks. 509/1/17, 7.7.2017, URL (PDF): www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0501-0600/509-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
[6] Vgl. Künast 2017.
[7] Zit. nach Geuther, Gudula; Götz, Uschi; Fittkau, Ludger: Die NPD und die Parteienfinanzierung. Ein demokratisches Dilemma, auf: deutschlandfunk.de (11.6.2017).
[8] Vgl. Art. 18, Abs. 4 PartG.
[9] Vgl. Deutscher Bundestag: Bekanntmachung von Rechenschaftsberichten politischer Parteien für das Kalenderjahr 2014 (2. Teil - Übrige anspruchsberechtigte Parteien), BT-Drucks. 18/8475, 13.5.2016, URL (PDF): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/084/1808475.pdf.
[10] Vgl. Zasowk, Ronny: Der Bundestag legt die Axt an die freiheitlich-demokratische Grundordnung, auf: npd.de (22.6.2017).
[11] Vgl. Deutscher Bundestag: Festsetzung der staatlichen Mittel für das Jahr 2016 (Stand: 17. März 2017), auf (PDF): bundestag.de.
[12] Vgl. Haßelmann, Britta; Künast, Renate: Parteiverbote. Eine Lex NPD schadet der Demokratie, auf: faz.net (22.6.2017).

Autor:innen

Schwerpunkt
Strafrecht

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